Kapitel 57 – Schlimme Sorgen und eine neue Herausforderung
Kapitel 58 – die Blumen
Kapitel 59 – Die letzte Herausforderung – Aber bitte mit Stil!
Kapitel 60 – Falsche Zukunft
Kapitel 61 – Donnergrollen
Kapitel 62 – Gefangen im Geisterhaus
Kapitel 63 – … dann gingen die Pläne doch Baden
Kapitel 57 – Schlimme Sorgen und eine neue Herausforderung
In der Nähe eines kleinen, ruhigen Dorfes saßen zwei Personen auf einer Wiese und machten eine kleine Pause vom langen Wandern.
Bei den Personen handelte es sich um einen Mann, mit schwarzen Haaren, die er zu einem Zopf nach hinten band. Er trug eine dunkle Hose und eine Lederjacke. Darunter schien er nichts zu tragen.
Eine blonde, junge Frau saß neben ihm und nahm einen kräftigen Schluck Wasser.
„Wie es aussieht, wird es vielleicht bald regnen…“, stellte der Mann fest und starrte die grauen Wolken an.
„Ich glaube, das würde der Erde hier wirklich gut tun“, erklärte die junge Frau, während sie die trockene Erde unter sich abtastete.
Der Mann legte sich auf die Wiese und schloss seine Augen für eine Weile.
„Sag mal Ama, glaubst du, wir haben uns verlaufen?“, fragte ihn die Frau.
„Das kann gut möglich sein. Ich kenne mich hier wirklich nicht aus. Und du erst recht nicht, Oto…“, erklärte Ama, „Ohne eine Karte oder einen Plan weiterzureisen, macht es keinen Sinn mehr. Wir sollten lieber irgendwo nachfragen.“
„Ja… du hast Recht…“, meinte sie und beugte sich über ihn. Dann gab sie ihm einen sanften Kuss und richtete sich wieder auf.
‚Nachdem, was ich im Archiv gesehen hatte, musste ich einfach los…‘, dachte sich Oto, ‚Ich muss Ginta sehen um einfach sicher zu gehen…‘
Sie seufzte und nahm noch einen Schluck Wasser.
„Ach weißt du was, Ama? Ich frage einfach die nächste Person, die wir treffen, okay?“
„Was wollen sie mich denn fragen?“, erkundigte sich eine junge Frau mit türkis-grünen Haaren.
Sie hatte eigentlich glatte, mittellange Haare, die ihr rechtes Auge verdeckten. Zwei widerspenstige Strähnen standen oben ab und Bogen sich wie Antennen einer Ameise. Sie war etwa 1,63m groß und trug komische Klamotten. Ein langes, schwarzes Oberteil wurde von einer Art Brustpanzer bedeckt. Sie trug Leggings mit Blümchenmuster darauf und darüber enge, schwarz-glänzende Shorts.
„Ehm… das ist so. Ich suche nämlich einen Freund“, meinte Oto und stand auf, „Er ist etwa so groß, trägt einen Mantel und hat weiße Haare. Er ist mit einigen anderen Leuten unterwegs.“
„Ah! Ich glaube, diesen jungen Mann kenne ich. Suchst du zufällig nach Ginta Sabekaze?“
„Ja!“, rief Oto, „Genau den meine ich!“
„Wenn das so ist…“, murmelte die Frau und holte einen kleinen Zettel aus ihrer Hosentasche, „Seid ihr zufällig Oto Kita… Kitamuki und Ama Enshû?“
„Woher kennen Sie unsere Namen?“, erkundigte sich Ama, der jetzt auch aufstand.
„Ich habe euch gesucht. War gerade auf dem Weg nach Yofu-Shiti, aber wenn ihr schon hier seid, erleichtert mir das einige Arbeit.“
„Wie meinen Sie das?“, wunderte sich Oto.
„Ich sollte mich erst einmal vorstellen: Ich heiße Momogochu Kanchû, ihr könnt mich aber Momogochu oder Momo nennen. Ich bin 20 Jahre alt und Mitglied einer Widerstandsbewegung gegen die Shal, die sich Vastus Antishal nennt. Meine Mitgliedsnummer ist die sieben.“
„Was für … eh… ich…“, stotterte Oto, die sich nur wundern konnte.
„Das ist doch ganz einfach! Die Vastus Antishal wurden gegründet, weil unser Anführer es satt hatte, wie die Shal die Welt terrorisieren. Wie soll ich weiter machen? Ich bin im Auftrag hier, gegen euch zu kämpfen! Aber ihr glaubt mir das bestimmt nicht. Vertrauen fängt man am besten an, in dem man Sachen von sich selbst erzählt, nicht wahr? Also, wie gesagt, mein Name ist Momogochu. Ich habe in einem schönen Dorf als Kindergärtnerin und Floristin gearbeitet. Unser Dorf war so prachtvoll. Man erzählte sich einige Legenden über einen Meteoriteneinsturz, der unserem Dorf das Leben schenkte. Nun ja, die Shal haben auch von dieser Legende gehört und unser Dorf angegriffen. Viele Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Doch ich konnte mich verteidigen. Dort traf ich auch unseren Anführer, der mich sogleich fragte, ob ich ihrer Organisation beitreten wolle… Das habe ich dann auch gemacht, wie ihr seht… und ja! Unser Anführer hat Ginta schon getroffen und ihn herausgefordert. Wenn er und seine Freunde – euch mit eingeschlossen – uns nicht irgendwie besiegen könnt, dann wärt ihr wohl noch nicht bereit, gegen die Shal anzutreten. Deswegen bin ich auch hier! Ihr müsst gegen mich kämpfen, damit… Ah! Genau, damit ich euch sagen kann, wo Ginta sich gerade befindet, ich würde euch den Weg erklären, wenn ihr mich in einem Match besiegt… ganz klar!“, brabbelte Momogochu vor sich hin.
Ama und Oto standen ganz verdutzt da. Was wollte sie noch einmal? Einen Kampf? Den konnte sie haben.
„Na gut! Wie du willst!“, erklärte Oto siegessicher, „Wenn wir dich besiegen, musst du uns sagen, wo Ginta ist, versprochen?“
„Versprochen!“, lachte Momoguchu und sprang einige Meter zurück. Sie zog in demselben Augenblick, in dem sie landete, hinter ihrem Rücken zwei kurze Stäbe hervor, deren Kopf aus einer Kugel mit Stacheln bestand. Diese Waffe ähnelte einem Morgenstern.
Die anderen beiden warfen beide ihre Tasche auf die Wiese und machten sich zum Kampf bereit. Ama hatte daran gedacht, dass es wohl zu Kämpfen kommen könnte und nahm sich für seine Reise einen Speer mit, den er eigentlich eher als Wanderstab benutzte. Doch in dieser Situation blieb ihm nichts anderes übrig, als ihn so zu benutzen.
„Oto, ich weiß, dass wir es schaffen, ja?“, ermutigte er seine Partnerin.
„Natürlich!“, rief Oto und murmelte danach noch, „Wofür hab ich denn heimlich trainiert…“
Ama stürmte nach vorne und griff seine Gegnerin an, die jeden Schlag gekonnt parierte. Sie schwang ihre Morgensterne umher und griff dann auch an. Es war schwer für Ama, diese Angriffe zu blocken, also konzentrierte er sich darauf auszuweichen.
In der Zwischenzeit konzentrierte Oto ihre Energien.
‚Ich weiß, dass du das kannst… spüre das Wasser, spüre das Wasser…‘, sprach sie zu sich selbst und schloss ihre Augen.
Im Med-Dorf hatte sie, während sie ihre Ausbildung anfing, nebenbei noch etwas trainiert. Irgendwie bekam sie dieses beunruhigende Gefühl nicht los, dass bald noch ein schwerer Kampf auf sie zukommen würde.
Während ihres Trainings traf sie auf einen alten Mann namens Natoku, der ihr etwas über Energien beibrachte. Sie wusste, dass das Wasser ihr Energie gab.
Sie konzentrierte sich und versuchte nicht auf den Schlagaustausch von Ama und Momoguchu zu hören. Was sie hören wollte, war Regen.
Der Regen kam. Die ersten Tropfen prasselten auf den Boden. Oto spürte, wie jeder Tropfen ihre neue Energie schenkte.
Ama strengte sich währenddessen immer noch an, keine von Momoguchus Schlägen zu kassieren, die sie tänzerisch austeilte.
„Ama, auf die Seite!“, rief Oto und streckte ihre Arme nach vorne.
In dieser Sekunde bewegte sich eine Wassermasse vom Boden in die Luft und flog direkt auf Momoguchu zu, die nichts anders tun konnte, als diesen Treffer einzustecken. Sie wurde einige Meter zurückgedrängt, konnte sich aber dann doch noch fest halten, in dem sie ihre Morgensterne in den Boden rammte.
Diese Chance ließ Ama aber nicht ungenutzt und stürmte auf Momoguchu zu. Drohend hielt er seinen Speer an ihren Kopf.
„Das war’s wohl“, erklärte Ama, der sich eine nasse Haarsträhne nach hinten schob.
„Okay“, grinste Momoguchu, „Ich habe wirklich verloren. Ihr habt das gut gemacht…“
„So… und jetzt sag uns, wie wir zu Ginta und den anderen kommen!“, forderte Oto, die sofort zu den anderen rannte.
„Okay okay! Ich sag es euch ja… Also, Ginta befindet sich gerade auf der Halbinsel Bhatân. Es ist nicht mehr weit von hier aus. Ihr müsst nur noch die Wüste durchqueren und dann findet ihr ihn eigentlich schon. Fragt dort noch den VΞA, sie werden euch weiterhelfen. Hier ist eine kleine Karte, die euch helfen wird.“
Sie holte einen Zettel aus ihrer Tasche und gab sie Oto, die ihn sofort öffnete.
„Ich glaube, das ist nicht die Karte…“, meinte sie und hielt Momogochu den Zettel vor ihrer Nase.
Auf den Zettel waren die Namen Oto Kitamuki und Ama Enshû geschrieben. Daneben waren kleine Zeichnungen, wie die beiden aussahen.
„Oh, eine kleine Verwechslung“, lachte Momogochu und holte aus ihrer anderen Tasche die Karte heraus.
„Danke sehr“, bedankte sich Oto und zerrte Ama am Ärmel, „Ich bin dafür, dass wir sofort aufbrechen!“
„Okay, okay, Schatz. Das können wir ruhig machen…“, grinste er und holte schon mal die Taschen.
Danach verabschiedeten sie sich so schnell es ging von Momogochu und machten sich auf den Weg.
„Riven hatte recht“, fing Momogochu an, während sie den beiden hinterher sah, „Mit Freunden wie diesen, wird Ginta das schon schaffen…“
Dann zog sie auch im Regen davon.
Kapitel 58 – Die Blumen
Allmählich legte sich das schlechte Wetter und zwischen den dicken Wolken drangen ab und zu einige Sonnenstrahlen hindurch. Es wurde spürbar wärmer.
Es war Nachmittag und unsere Freunde machten sich auf den Weg zur nächsten Herausforderung.
Ginta erinnerte sich an das letzte Gespräch, das Riven mit ihnen führte: „Also, nach der Stadt mit den vielen Hochhäusern, müsst ihr einfach weiter nach Nordosten ziehen. Dort gelangt ihr in ein kleines Dorf. Sucht nach einem Hakashi Shu-Yuen. Er ist die Nummer sechs der Organisation.“
„Wie sieht er aus?“, hakte Ginta nach.
„Er ist in etwa 1,76m groß und hat dunkelrote Haare. Was soll ich sonst noch sagen? Ich denke, wenn ihr ihn seht, dann wisst ihr schon, dass ihr ihn vor euch habt…“, erklärte Riven.
„Das hilft uns ja weiter…“, seufzte Sayoko, die schon wieder sichtlich gestresst war.
„Und wieso ist er beigetreten?“, fragte Jumon neugierig.
„Seine Geschichte ist recht unspektakulär… Wir haben ihn in einem Tempel getroffen. Dort wurde er von Mönchen aufgezogen…“
„Das ist wirklich eine öde Geschichte…“, beschwerte sich Sayoko und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust.
„Was ist daran öde? Das Leben in einem Tempel ist sehr erfüllend!“, wandte Matra ein.
„Total. Genauso erfüllend, wie einen Stein zu essen, nehme ich an…“, provozierte Sayoko sie.
„Ich verpasse dir gleich eine!“, brüllte Matra.
„Streitet euch doch bitte nicht…“, sagte Shiana mit leiser Stimme.
Dann rückte Riven Ginta etwas näher und flüsterte ihm folgendes ins Ohr: „Keine Sorge, Kleiner, ich habe deiner Freundin nichts getan. Ich würde aber trotzdem nicht versuchen, den Herausforderungen zu entgehen, ich weiß immer wo ihr sein werdet…“
Dann beugte er sich wieder zurück und grinste.
Was meinte Riven damit?
Auf dem Weg in das Dorf fingen mal wieder heiße Diskussionen an.
„Was da wohl noch auf uns zukommt?“, warf Ginta in die Gruppe.
„Anscheinend bleiben noch Kämpfe aus… Jumon, Shiana und Tsuru vielleicht?“, zählte Sayoko auf.
„Ich glaube nicht, dass Tsuru kämpfen muss… Sie ist doch noch so klein“, meinte Jumon.
„Ich bin gar nicht klein!“, brüllte Tsuru und sah Kûosa flehend an, der sie dann auf seine Schulter setzte, „Jetzt bin ich viel größer als ihr alle!“
Sie lachte unaufhörlich.
„Sie sollte auch irgendwann lernen, sich selbst zu verteidigen…“, murmelte Sayoko, „Das habe ich schließlich auch tun müssen.“
„Wieso sollte sie? Sie hat doch solche komischen Fähigkeiten, das habt ihr mir doch erzählt…“, unterbrach Matra, „Wieso sollte sie sich dann noch verteidigen müssen?“
„Und so viel wie die VΞA über uns zu wissen scheinen, denke ich, dass auch für Tsuru eine kleine Herausforderung bereitsteht…“, sagte Ginta und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf.
„Meint ihr nicht, dass es zu gefährlich für sie ist?“, meldete sich auch Shiana zu Wort.
„Aber die Shal stellen doch eine viel größere Bedrohung für sie da…“, entgegnete Sayoko, „Deswegen macht es erst recht Sinn…“
„Ich muss zugeben, dass Sayoko in dem Punkt recht hat…“, sagte Ginta und warf einen Blick in seine Tasche, in der Myu mal wieder seelenruhig schlief.
„Tsuru sollte sich lieber für alles Mögliche bereit halten…“, schlug Jumon vor.
„Shiana aber auch…“, meinte Matra, die sie ein wenig musterte.
„Wie meinst du das?“, wunderte sich das Mädchen mit den blauen Haaren.
„Ist auch wirklich alles in Ordnung mit dir?“, fragte Matra und dachte sich dann noch, ‚Sie sieht ja schon etwas zerbrechlich aus, die Kleine…‘
Shiana sah ihre Freunde überlegend an. Als ihr Blick den von Ginta streifte, drehte sie ihren Kopf schnell beiseite.
„Natürlich ist mit mir alles in Ordnung“, verteidigte sie sich.
„Wollte Riven auch nichts schlimmes von dir?“, fragte noch Sayoko.
„Nein! Ich sagte doch, bei mir ist alles okay…“, wehrte sich Shiana etwas stärker.
„Wenn sie meint, dass sie okay ist, dann ist das wohl auch so…“, warf Ginta noch schnell ins Gespräch, bevor jemand anderes zum wiederholten Male nachfragen musste.
‚Ich weiß nicht, was Riven mit ihr gemacht hat… aber irgendwie ist sie anders als sonst…“, überlegte er sich, ‚Oder liegt das auch an mir? Ach ich weiß es einfach nicht…‘
Dann wurde es etwas stiller und die Freunde liefen einfach weiter, bis Matra sie unterbrach.
„Ich glaube, wir sind da…“, erklärte sie, als alle vor dem Eingang eines kleinen, idyllischen Dorfes standen.
Auf einem Schild, das vor einer großen Blumenvase stand, in dem hübsche Blumen wuchsen, stand „Ohana“ darauf, wie Jumon es vorgelesen hatte.
„Das wird es wohl sein“, meinte Sayoko.
„Dann gehen wir mal…“, sagte Ginta und machte den ersten Schritt in das Dorf.
Das Dorf an sich war klein und überschaulich. Die Leute wohnten in Holzhütten, deren Außenwände meistens mit verschiedenen Pflanzen und Blumen geschmückt waren.
Die Leute lächelten die Freunde an. Anscheinend waren sie recht nett zu Fremden. Die Dorfbewohner wurden nicht einmal von Kûosa beunruhigt.
„Entschuldigen Sie…“, traute sich Ginta, eine junge Frau anzureden, „Kennen sie einen Mann, namens Hakashi Shu-Yuen?“
„Hakashi? Klar kenne ich ihn“, grinste sie, „Er ist wahrscheinlich im Blumengarten, nicht weit von hier. Laufen Sie einfach diese Straße entlang, biegen Sie nach der dritten Abbiegung rechts ein und dann einmal links, dann sind Sie schon da…“
„Ist er so etwas wie der Bürgermeister?“, hakte Jumon nach.
„Nein, nicht wirklich“, lachte die Frau wieder, „Sie sind nicht von hier, richtig? Jeder hier kennt Hakashi. Er sorgt dafür, dass unser Dorf so schön bleibt. Er sorgt sich nämlich um die ganzen Pflanzen und Blumen.“
„Also ist er Gärtner?“, wunderte sich Sayoko.
„Kann man so nicht sagen… Nun ja, sehen Sie selbst“, lachte die Frau wieder und ging.
„Dann müssen wir das wohl selbst in Erfahrung bringen“, schlug Ginta vor und gemeinsam mit den anderen lief er so, wie es ihm die Frau erklärt hatte.
Schließlich kamen sie an einem großen Garten an.
Neugierig liefen sie umher und bestaunten die wunderschönen Beete, die in allen Farben zu leuchteten. Anscheinend wuchsen auch Blumen von jeder erdenklichen Sorte in diesem tollen Garten.
Hinter einem großen Busch kam ein junger Mann hervor, der wohl nicht älter als 22 war. Er hatte eine Heckenschere in der Hand und trimmte diesen Busch gerade.
„Ginta und seine Freunde, nehme ich an?“, wunderte er sich und kratzte sich kurz am Kopf.
Er trug eine lockere Stoffhose und Sandalen. Obenrum trug er ein dunkles Shirt und darüber ein ärmelloses, etwas helleres Shirt. Seinen dunkelroten Pony hatte er zu einem Zopf nach hinten gebunden.
„Riven hat mir schon alles erzählt…“, seufzte Hakashi, „Anscheinend muss ich nun gegen jemand von euch kämpfen. Darauf hab ich gerade aber wirklich keine Lust, weil es jeder Sinnhaftigkeit fern ist, nicht gegen unsere gemeinsamen Feinde anzutreten.“
„Dann könntest du es auch sein lassen…“, bemerkte Sayoko in einem schnippischen Ton.
„Das will ich mal überhört haben…“, seufzte der junge Mann und trat einen Schritt nach vorne, „Also, ich bin Hakashi Shu-Yuen. Schön euch kennenzulernen.“
„Geht uns genauso…“, sagte Ginta zögerlich und musterte diesen kauzigen Typen. Er sah ganz anders aus, als die bisherigen Mitglieder. Außerdem wirkte er nicht so gefährlich wie die anderen.
„Wir sind hier, weil…“, wollte Ginta anfangen, aber Hakashi unterbrach ihn schnell.
„Ich weiß, ich weiß. Hab aufgepasst…“, seufzte er wieder, „Also werde ich mir jetzt einen von euch Aussuchen müssen.“
Er stellte sich vor die Freunde und sah sie alle musternd an.
„Ginta, darf ich nicht…“, redete er mit sich selbst, „Sayoko und Matra waren schon dran… die Kleine da ist auch verboten… dieser Knirps muss auch nicht sein… Also nehme ich den Bären und das kleine Mädchen!“
„Was? Aber das kannst du doch nicht machen…“, protestierte Shiana.
„Tut mir Leid, Kleine, aber Anordnungen von Oben, da kann man sich nicht widersetzen…“, erklärte Hakashi und verschwand kurz hinter dem Busch.
„Ginta, sag doch etwas! Er kann sich doch nicht mit Tsuru prügeln…“, beschwerte sich Shiana und zerrte flehend an seinem Mantel.
„Shiana, es ist besser so, das haben wir doch vorhin schon besprochen…“, versuchte Sayoko sie umzustimmen.
„Sie hat recht, Shiana… Auch Tsuru muss da durch…“, seufzte Ginta und fühlte sich gar nicht wohl dabei, das zu sagen.
„Heißt das, ich muss jetzt gegen diesen Mann da kämpfen?“, wunderte sich Tsuru. Sie biss sich auf die Unterlippe und neigte ihren Kopf, während sie Hakashi mit großen Augen betrachtete.
„Ja, das heißt es“, antwortete Matra, „Aber Kûosa darf dir gern helfen…“
„Gut!“, verkündete sie, „Mit Kûosa an meiner Seite habe ich keine Angst!“
„Aber…“, murmelte Shiana, die es nicht verstand, dass ihre Freunde dies zulassen konnten. Es war eine Sache, wenn sie in Schwierigkeiten kamen und Tsuru da mit reingeriet. Nicht umsonst hatte Shiana versuchte, das kleine Mädchen immer wieder in Schutz zu nehmen, falls eine schwierige Situation aufkam. Aber was sollte sie nun machen? Keiner war ihrer Meinung. Traurig sah sie zu Jumon, der nur mit den Schultern zucken konnte. War das hier richtig?
„Gut, dann wäre ich soweit…“, erklärte Hakashi, der aus dem Nichts wieder auftauchte.
Nun hatte er einen langen Stab dabei – anscheinend seine Waffe.
„Kommt mit, Tsuru…“, sagte er und führte das Mädchen, den Hasenbären und die anderen zu einer freien Wiese, auf der nur Gänseblümchen und Klee wuchs.
„Also hör zu, kleine Tsuru. Es ist in Ordnung, wenn dein bäriger Freund dir beim Kämpfen hilft, aber verletze mich nicht allzu sehr, okay? Wir spielen doch nur, oder?“, erklärte er ihr.
„Ja, ist okay! Wir spielen nur“, lachte Tsuru.
Dann machte sich Hakashi bereit und stellte sich in Kampfposition. Dann stürmte er auf die Kleine los. Mit einer bemerkenswerten Geschwindigkeit stand er plötzlich hinter Tsuru und fuchtelte mit seinem Stab herum. Er hatte einen komischen Stab gehabt, der sich in verschiedene Glieder aufteilen ließ, die jeweils mit einer langen Kette verbunden waren. Seine Fingerfertigkeit mit dem Stab ließ die Freunde staunen. Hakashi führte erst einmal vor, auf welche verschiedenen Arten und Weisen er seinen Stab auseinander und zusammenstecken konnte.
Schützend stellte sich Kûosa vor das Mädchen und posierte, um seine Muskeln zur Schau zu stellen. Doch das wirkte lang nicht so stark, wie der Hasenbär es wollte. Dann griff Kûosa an.
Hakashi wirbelte seinen Stab um seinen Körper und machte einige Schritte um den Schlägen des Bären auszuweichen.
Tsuru feuerte wie wild ihren kuscheligen Freund an.
Kûosa holte nun öfters aus und versuchte mit einer Salve von Schlägen seinen Gegner zu treffen, der aber gekonnt jedem Schlag locker ausweichen konnte.
Kûosa kämpfte wirklich gut. Er achtete nicht nur darauf, wie sein Gegner sich bewegte, sondern achtete auf jede kleinste Bewegung von Tsuru, die er mit seinem Leben beschützen würde. Das erkannte man sofort.
Der Kampf ging noch ein kleines Weilchen so, ohne dass viel geschah. Bis zu einem Zeitpunkt, in dem es Hakashi schaffte zwischen die Beine von Kûosa hindurch zu schlüpfen und direkt vor Tsuru zu stehen. Geschockt stand Kûosa da.
Hakashi legte sanft seine Hand auf Tsurus Kopf und sagte: „Hab dich… ich glaub ich hab gewonnen…“
„Mhh….“, brummte Tsuru und musste einsehen, dass sie anscheinend verloren hatte.
„So, das war es für heute. Hab mich schon genug angestrengt“, seufzte Hakashi und massierte zur Entspannung seine Nackenmuskeln.
„Das war es schon?“, wunderte sich Matra, die etwas mehr erwartet hatte.
„Japp, für heute war es das“, erklärte Hakashi, „Die Kleine ist doch noch so jung… Außerdem kann ich ihr doch nichts antun.“
„Was für ein spektakulärer Kampf“, sagte Sayoko auf sarkastische Art und Weise.
„Das nächste Mal gewinne ich!“, rief Tsuru Hakashi hinterher, der gerade am Gehen war.
„Klar, wirst du das, kleine Tsuru… Ehm…“, überlegte Hakashi, während er an den Freunden vorbeiging, „An euch, ich soll euch Bescheid sagen, dass ihr jetzt weiter nach Nordosten müsst. Dort wartet Arec Geraki auf euch. Er ist die Nummer zwei. Was sollte ich euch noch über ihn erzählen? Fragt einfach in der nächsten Stadt nach ihm. Er ist ungefähr 1,83m groß und hat mittellange, hellbraune Haare… Ihr könnt ihn eigentlich nicht übersehen… Ich verschwinde dann mal… Tschau!“
„Halt, warte!“, hielt ihn Ginta noch auf, „Warum ist dieser Arec Geraki eigentlich bei den VΞA?“
„Wird das hier jetzt so eine Art Nachforschung in unsere Vergangenheiten?“, wunderte sich Hakashi, „Du solltest das lieber lassen, unsere Vergangenheiten gehen nur uns selbst etwas an.“
„Aber ich möchte das doch so gern erfahren!“, wehrte sich Ginta, „Sonst kann ich mir nie meine Fragen beantworten…“
Ginta seufzte als er die Hoffnung auf eine Antwort schon schwinden sah.
Dann ging Hakashi wieder zurück und stellte sich vor Ginta.
„Es hat wohl keinen Zweck. Sonst ist der Boss sauer auf mich. Arecs Familie hatte geheim mit den Shal zu tun, sie versorgten diese mit Geld und Waffen und so etwas, verstehste? Er wurde lange Zeit ignoriert, bis sein Vater wollte, dass er die Geschäfte übernimmt. Zu der Zeit hatte er Riven kennengelernt, der ihn aufgeklärt hat. Selbstlos entschied er sich für Riven und gründete mit ihm die Vastus Antishal. Seitdem sind die zwei auf Reisen um neue Mitglieder zu rekrutieren und den Shal das Handwerk zu legen… Aber sag mal, meine Geschichte hast du schon gehört, nehme ich an, so neugierig wie du bist.“
„Ja… Riven hat sie uns erzählt…“, antwortete Ginta.
„Das ist echt nett“, meinte Hakashi abfällig, „Aber anscheinend wollte er dir nur helfen, deine ‚Fragen‘ zu beantworten. Wen habt ihr sonst noch kennengelernt?“
„Riven… Requell, Lliam und Kyrmoo…“, zählte Ginta auf, „Stimmt doch, oder?“
„Japp, stimmt…“, antwortete Sayoko.
„Soll ich euch noch von den letzten zwei erzählen?“, schlug Hakashi vor und setzte sich auf die Wiese.
Die Anderen nahmen ebenfalls Platz.
„Klar“, bat Jumon, der etwas neugieriger wurde.
„Wo fang ich denn da an? Ach ja.. Kyrmoo ist die Nummer drei. Nach ihr stieß Ethal Nokinnon zu den VΞA. Er ist ein besessener Schwertkämpfer – so wie ich ihn kennenlernen durfte. Er hat mir wenig von sich erzählt, weil er doch ein eher stiller Typ ist. Aber Riven hat mich über ihn aufgeklärt. Ethal gehörte zu einer Archäologen-Familie, die gerade dabei war, einer der altertümlichsten Schätze auszugraben, als die Shal die Ausgrabungsstätte überfiel und seine Familie tötete. Sie wollten eigentlich nur ein gewisses Gestein haben. Wie auch immer… Als Riven ihn traf, war er echt depressiv, aber unser Anführer konnte ihn wieder aufbauen und so trat er der Organisation bei.“
„Ein Schwertkämpfer…“, murmelte Ginta vor sich hin, während er an Ryoma dachte. Dabei vibrierte sein Amulett leicht.
„Die Fünf ist Lliam… die Sechs bin ich und… da bleibt nur die Sieben. Momogochu Kanchû heißt sie“, fasste Hakashi zusammen, „Momoguchu ist echt eine sehr liebevolle Person. Deswegen wundert es mich auch nicht, dass sie als Kindergärtnerin und Floristin in einem Dorf arbeitet. Sie brachte mich auch zu dem hier…“
Die Freunde sahen sich um und erkannten, wieso Hakashi in diesem Dorf lebte. Es waren die Blumen.
„Momogochu weckte die Liebe für Blumen in mir. Außerdem stehen diese Blumen auch für jeden, der im Kampf gegen die Shal gestorben ist. Das habe ich von meinem Tempel gelernt, den Toten mit etwas Lebendem zu ehren. Aber nun so viel dazu! Die Shal stürmten ihr Dorf, weil es Gerüchte gab, dass sich seltenes Meteoritengestein darin befinden sollte und brachten viele Menschen dabei um. Momogochu überlebte und kam dann zu uns, als sie von einer Widerstandsbewegung hörte. Seitdem ist sie bei uns und kämpft an unserer Seite.“
„Sag mal, du erwähnst immer wieder verschiedene Gesteine. Wir selbst haben schon davon gehört, dass sie diese Sammeln, für irgendeine Maschine, die die Erde wieder mit dem Mond vereinigen soll?“, erklärte Sayoko.
„Ja, Riven hat das auch schon gehört“, seufzte Hakashi, „Das Ziel der Shal ist wirklich die Erde mit dem Mond zu vereinigen, damit eine neue Welt entsteht. Echt idiotisch, wenn ihr mich fragt… Nun ja, ich muss jetzt wirklich los, hab noch Termine. Schön euch kennengelernt zu haben! Man sieht sich bestimmt irgendwann mal wieder.“
So verabschiedete sich Hakashi und verschwand hinter der nächsten Wand aus Blumen.
Die Freunde nahmen sich noch eine Pause von dem, was sie gerade erfahren hatten. Langsam wurde ihnen das wahre Ausmaß der Zerstörung durch die Shal bewusst. Es war schrecklich.
Kapitel 59 – Die letzte Herausforderung – Aber bitte mit Stil!
Ginta und seine Freunde erreichten bald die nächste Stadt. Sie war klein und edel. Die Häuser waren strahlend weiß und es schien so, als gäbe es auf den Straßen keinen Dreck. Die Leute waren stilvoll gekleidet. Die Leute grüßten freundlich und jeder schien fröhlich und glücklich zu sein. Anscheinend gab es noch Flecken auf der Welt, die von den Shal unberührt waren.
Die Freunde waren gerade dabei, die Person namens Arec Geraki zu suchen.
Ginta lief mit Jumon voraus.
„Sag mal, bist du schon aufgeregt, oder so?“, fragte Ginta seinen Freund.
„Ich weiß es nicht wirklich… Anscheinend sind diese VΞA recht stark, also…“, grübelte Jumon.
„Irgendwie sind die mir immer noch nicht geheuer…“, meinte Ginta und verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf.
„Wie meinst du das? Sieh doch, sie kämpfen auch gegen die Shal…“, wunderte sich Jumon.
„Klar… Dagegen habe ich ja nichts. Aber diese Methoden die sie verwenden sind echt eigenartig.“
„Wie meinst du das?“
„Dieser Riven… Er trat den Shal bei. Ich kann das immer noch nicht so ganz verstehen. Denn ich könnte das auf keinen Fall – ihnen beizutreten nur um sie besser vernichten zu können.“
„Kann mir auch nicht wirklich vorstellen, dass ihm das gefällt.“
„Meinst du? Aber warum lässt er es dann nicht einfach sein? Das verstehe ich eben nicht, Jumon.“
„Weil er einfach alles Erdenkliche gegen die Shal unternehmen will? Ach… ich weiß es doch auch nicht richtig…“
Dann herrschte für kurze Zeit Stille, zwischen den zweien, bis Jumon sie wieder unterbrach.
„Alles in Ordnung zwischen dir und Shiana?“, erkundigte er sich aus Neugierde.
„Ich weiß nicht… Wir haben ja nicht viel miteinander geredet und ehm… also…“
Ginta seufzte schwer. Dann holte er tief Luft.
„Sie ist in letzter Zeit so eigenartig… Ich habe immer noch Angst, dass es wegen mir ist…“, erklärte er, „Oder dass dieser Riven ihr irgendetwas angetan hat…“
„Mach dir mal keine Sorgen, das wird bestimmt wieder!“, munterte Jumon ihn auf.
„Meinst du?“
„Natürlich. Mach dir jetzt nicht mehr so viele Sorgen, ja? Das bringt dich doch sowieso nicht weiter…“, meinte Jumon und blieb stehen.
Die beiden Jungs drehten sich um. Als sie sahen, was hinter ihnen vor sich ging, waren sie verblüfft.
„Oh! Solch schöne Damen habe ich ja schon lange nicht mehr gesehen…“, sagte ein junger Mann, mit hellbraunen Haaren. Er trug eine dunkle Weste über einem langen Shirt, dazu einen Schal. Seine Hose war verziert mit einigen Schnallen.
Er kniete sich vor die Mädchen hin und wunderte sich gar nicht über Kûosa, der Tsuru einmal wieder auf den Schultern trug.
„Was für eine Schönheit haben wir da? Wie alt bist du? 19?“, fragte er und stellte sich vor Sayoko und nahm vorsichtig ihre Hand und setzte einen Kuss darauf.
Sayoko stand wie angewurzelt da. Sie konnte es nicht glauben, dass er sie für 19 einschätzte.
„Du scheinst mir eine große Seele zu haben. Schön dich kennenzulernen“, sagte er und gab auch Matra einen Handkuss.
„Oh, eine kleine Prinzessin, nehme ich an?“, grinste er Tsuru an, die daraufhin das Kichern anfing.
„Und zuletzt die blaue Schönheit…“, grüßte er Shiana und nahm ihre beiden Hände. Dann zog er sie an sich und tanzte etwas mit ihr.
„Du bewegst dich so leicht, wie der Wind unter den Flügeln eines Rotkehlchens…“
Shiana wurde etwas rot, aber sie wollte nichts sagen, weil sie dieses Kompliment einfach zu nett fand.
„Hey! Was soll das!“, beschwerte sich Ginta und zerrte an der Weste dieses Mannes.
Der junge Mann stolperte dadurch fast, konnte sich aber noch auf den Beinen halten und ließ Shiana los. Dann drehte er sich plötzlich um und entdeckte Ginta und Jumon.
„Oh, stimmt… Jungs…“, beschwerte er sich und verzog auf eigenartige Weise sein Gesicht.
Er hatte wohl genug davon und drehte sich wieder um, nur um die Schönheit der Mädchen zu sehen.
„Das ist eher mein Anblick. Schöner als die Liebesgöttin Aphrodite! Und noch viel schöner als Venus… Einfach traumhaft und bezaubernd, wie ihr seid, meine Damen…“, machte er den Mädchen wieder Komplimente.
„Oh, das ist zu viel…“, meinte Sayoko und seufzte auf. Sie freute sich wohl über diese Komplimente.
„Ich…“, mehr brachte Matra nicht aus sich heraus. Sie alle schienen wohl etwas verzaubert.
„Ich bin eine Prinzessin!“, brüllte Tsuru, sprang von Kûosa und drehte sich so schnell wie möglich im Kreis.
„Ohh… da möchte man doch glatt eine Arie singen! Ohh~ diese Schönheit bringt mich fast uuuuum~ ♫♪“, sang er plötzlich, wie aus dem Nichts. Es hätte nur noch ein Scheinwerfer gefehlt und Rosenregen, dann wäre die Aufführung perfekt geworden.
Dann räusperte sich der Mann und stellte sich richtig vor: „Wie unhöflich sich nicht richtig vorzustellen… mein Name ist Arec Geraki.“
Er verbeugte sich und wartete auf eine Reaktion, doch die Mädchen waren wie hin und weg.
„Du bist dieser Arec Geraki? Wir haben nach dir gesucht…“, meinte Ginta und stellte sich vor die Mädchen. Jumon tat es ihm gleich.
„Dann seid ihr es also? Wie heißt ihr gleich noch… Günther und seine Freunde… du mit den orangen Haaren bist wohl Jaman… Und hinter euch haben wir Sayoko, Matra, Tsuru und Shiana, die Göttinnen der Schönheit!“, stellte er fest. Seine Stimme wurde etwas höher, als er die Mädchen erwähnte.
„Ich heiße nicht Jaman, ich bin Jumon!“, brüllte Jumon plötzlich.
„Und ich heiße auch nicht Günther…“, knirschte Ginta mit den Zähnen.
Die Jungs waren wutentbrannt und die Mädchen konnten immer noch nichts sagen.
Arec ignorierte das gekonnt: „Ich glaube jetzt ist bald Zeit, die letzte Herausforderung zu bestreiten, meint ihr nicht auch? Gegen Günther darf ich ja nicht kämpfen… den Liebesgöttinnen will ich auch nichts tun… bleibt also noch Herr Orange! Jaman, ich fordere dich offiziell zu einem Duell heraus…“
„Ich heiße nicht Jaman… aber gut von mir aus!“, meinte Jumon und stellte sich mitten auf die Straße.
Arec stellte sich vor ihn und zückte einige kurze, pechschwarze Stillettos. Das Material glänzte im Licht. Sie waren zart geschwungen und ihre Klinge bildeten mit dem Griff ein Kreuz. Er wirbelte sie in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit um seine Finger herum.
Jumon konzentrierte sich und versucht Geister in der Umgebung aufzuspüren. Doch das einzige, was er verspürte waren die Seelen seiner Freunde.
Doch irgendetwas war komisch. Es gab plötzlich eine Energie, die er vorher noch nicht so wahrgenommen hatte. Er sah zu Ginta. Dieser hatte neben seiner Seele noch eine andere in sich, welche Jumon nicht wirklich definieren konnte.
Und was war mit Myu? Die Katze schien auch zwei Seelen in sich zu tragen. Warum hatte er das vorher noch nicht bemerkt? Dann blickte er die anderen an. Sayoko war ganz normal, wie Tsuru, Kûosa und Matra auch. Nur von Shiana aus verspürte er noch etwas Komisches. Ihr Geist war ganz schwach ausgeprägt, als wäre er fast gar nicht da gewesen.
„Du solltest lieber aufpassen, Jaman!“, rief Arec und warf einige der Stillettos auf Jumon, der nicht rechtzeitig ausweichen konnte. Eines traf Jumon an der Schulter.
Reflexartig griff er sich nach seiner Wunde. Er blutete etwas. Jetzt war es nötig, wieder einen klaren Kopf zu bekommen! Jumon atmete tief ein und zog seine Jacke aus. Darunter trug er nichts. Er sah seine Wunde an, die zum Glück nicht so groß war.
‚Das bekommt er zurück…‘, dachte er sich, ‚Aber solang ich mir nicht die Energien von den Geistern ausleihen kann, sieht es wohl schlecht aus…‘
Arec holte immer wieder neue Stillettos hervor und warf sie auf Jumon, der sich wirklich schwer damit tat, ihnen auszuweichen. Mehr und mehr Stillettos streiften ihn und verletzten ihn etwas.
Ginta stand nur mit den Mädchen am Straßenrand, die langsam realisierten, dass Jumon nun seiner Herausforderung gegenüberstand. Seine Freunde hofften, dass er es schaffen wird und feuerten ihn in Gedanken an.
Nun musste Jumon seine Energien fokussieren, während er den Angriffen von Arec auswich. Zwischenzeitlich änderte Arec seine Strategie und griff direkt an, was es für Jumon noch schwieriger machte.
‚Ich muss eine Möglichkeit finden… Sonst muss ich mir etwas Energie von Ginta leihen…‘, schnaufte er in Gedanken, während er immer wieder zur Seite und nach hinten sprang.
„Na, geht dir schon die Puste aus, Jaman?“, lachte Arec.
„Das hättest du wohl gern!“, verteidigte sich Jumon, „Außerdem heiße ich JUMON!“
Die Angriffe von Arec ließen nicht nach. Langsam wurde es brenzlig für Jumon, der auch schon einige nur leicht blutende Treffer abbekommen hatte.
‚Gut, dann leihe ich mir für kurze Zeit etwas von Gintas Geisterkraft… Ich hoffe es stört ihn nicht arg…‘, dachte er sich und fokussierte sich auf Gintas Seele.
Als er anfangen wollte, mit seinem Geist zu kommunizieren, befand er sich plötzlich in einer Art… Was war das?
Es schien so, als würde Jumons Geist in etwas schweben, was sich hin und her bewegte. Es war nicht warm, aber auch nicht kalt. Es bewegte sich einfach nur.
„Bist du der Geist, den ich in Ginta gesehen habe?“, fragte Jumon.
Erst bekam er keine Antwort, weswegen ihm das Gefühl aufkam, etwas falsch getan zu haben. Aber dann antwortete ihm eine Stimme: „Wenn du Energie brauchst, nimm sie dir…“
Jumon fragte sich, wer da gesprochen haben könnte, aber realisierte schnell wieder, dass er eigentlich mitten in einem Kampf war. Langsam schloss er seine Augen und nahm sich etwas von dieser Energie.
Als er seine Augen wieder öffnete, stand Arec vor ihm und grinste ihn an.
Jumon setzte die Energie, die er sich geliehen hatte frei und auf einmal schien es so, als würde ihn etwas umhüllen. Es fühlte sich gut an und schützte ihn vor weiteren Treffern.
„Dann bin ich mal an der Reihe!“, heizte Jumon an und stieß seine Arme nach vorn, sodass er eine Art Energieladung auf Arec schießen konnte. Als seine Hände zu leuchten aufhörten, lag Arec schon am Boden.
„Autsch“, presste der junge Mann aus sich heraus.
„Das reicht jetzt…“, entschied plötzlich eine bekannte Männerstimme und Riven stand auf einmal hinter Ginta.
„Ihr habt mir genug bewiesen…“, erklärte er, ohne eine Begrüßung zu erwarten.
„Ah… Riven, du bist hier?“, stellte Arec fest und stand wieder auf.
„Ja, du brauchst nicht mehr kämpfen…“, befahl er seinem Kollegen.
„Gut, hatte sowieso keine Lust mehr…“, grinste Arec.
„Was machst du hier, Riven?“, wunderte sich Sayoko.
„Bin hier um euch zu sagen, dass das mit den Herausforderungen nun vorbei ist… Außerdem muss ich mit Ginta reden, wenn du mich begleiten magst?“
Fordern sah Riven zu Ginta.
Ginta sah sich erst wundernd um, hielt kurz inne und sagte dann kurz und knapp: „Ja…“
Während er mit Riven mitging, sahen sich Matra und Sayoko Jumons Verletzungen an und versorgten diese.
„War es das jetzt?“, fragte Ginta den Anführer der Vastus Antishal.
„Ja, das war es. Ihr habt euch bewiesen. Es wird zwar immer noch hart sein, gegen die Shal anzutreten, aber ich habe großes Vertrauen in euch“, erklärte Riven.
„Das scheint mir aber nicht so…“, seufzte Ginta.
„Persönliche Sympathien stehen mir schon lange nicht mehr im Wege, Ginta. Ich habe trotzdem großes Vertrauen in euch, obwohl ihr nicht zu meinen Freunden gehört…“, erklärte Riven und führte Ginta in ein kleines Haus.
‚Persönliche Sympathien?‘, wunderte sich Ginta und sagte dann, „Was machen wir hier?“
„Ich habe ein kleines Geschenk für dich“, meinte Riven und ging zu einem Schrank, an einer Wand des Raumes, in dem sie sich befanden. Dieser Raum war voller Zeugs. An den Wänden hingen kleine Schränkchen und Regale, in dem viel Zeug stand. In der Mitte des Raumes war ein großer Tisch.
Riven ging an den Schrank und holte etwas heraus und legte es auf den Tisch.
„Ist das für mich?“, fragte Ginta ihn.
„Japp. Die Kämpfe werden hart, also solltest du besser gewappnet sein…“, meinte er und setzte sich auf einen Stuhl, „Was ist? Zieh es schon an…“
„Kann ich… in einen anderen Raum gehen?“, fragte Ginta zögerlich.
„Wieso solltest du? Ist es dir peinlich? Meine Güte…“, meinte Riven und zog eine Augenbraue nach oben.
„Nein ehm… aber…“, stotterte Ginta.
„Dann zieh dich doch endlich um… Ich schau auch nicht hin, wenn es dir peinlich ist“, schlug Riven vor und drehte sich beiseite.
Dann zog sich Ginta die neuen Klamotten an.
Es handelte sich um eine feste, zweifarbige Hose, neue Schuhe und einer stabilen Weste, die fast schon einem Brustpanzer glich.
Von der Farbe her, hielt sich alles an ein dunkles Blau und bläuliches Weiß. Ein Akzent war ein großes, orangenes X, das über die Weste ging.
Es passte Ginta wie angegossen.
„Danke sehr…“, bedankte er sich bei Riven.
„Kein Ding… Wer mir hilft die Shal auszuschalten, der wird auch belohnt…“, lachte er. „Jetzt solltest du aber gehen, deine Freunde warten auf dich…“
„Ich hätte zuvor noch zwei Fragen… Was hast du mit Shiana getan? Und wieso bist du den Shal beigetreten?“
Riven seufzte und setzte sich auf den Tisch. Irgendwie wusste er, dass diese Fragen noch gestellt werden.
„Deiner Freundin habe ich eigentlich nichts getan. Sie war schon von Anfang an so komisch, nicht wahr? Ich habe sie lediglich nur gebeten, etwas Gutes für dich zu tun… Weswegen ich den Shal beigetreten bin, willst du wissen?“
„Ich weiß schon, dass du es gemacht hast um sie von innen heraus zu zerschlagen… Aber ich meine… Wieso?“
„Irgendeiner muss das tun, Ginta… Ich weiß schon auf was du hinaus willst… Weißt du, wenn wir gegen die Shal kämpfen, sind wir nicht besser als sie. Was, wenn im Kampf einer der Shal ums Leben kommt? Sie haben genau so ein Leben wie du und ich… Vielleicht haben sie Familie zu Hause, die um sie trauern… Also wenn ich nicht besser bin, als einer von ihnen, kann ich gleich einer sein. Mir ist das gleichgültig. Hab ich deine Frage somit beantwortet?“
„Klar… hast du, Riven… Vielen Dank für alles“, stammelte Ginta vor sich hin und stürmte aus dem Haus.
„Auf Wiedersehen, Ginta. Wir sehen uns definitiv wieder…“, grinste Riven.
Auf dem Weg zurück zu seinen Freunden wurde Ginta immer langsamer.
„Wir sind nicht besser als die Shal?“, fragte er sich und dachte darüber nach.
Kurze Zeit später traf er wieder auf seine Freunde, die sich über seine neuen Kleider wunderten. Nachdem Ginta ihnen alles über das Gespräch mit Riven erzählt hatte, brachen die Freunde wieder auf. Die Herausforderungen waren gemeistert und die Reise konnte wie geplant weitergehen.
Kapitel 60 – Falsche Zukunft
„Das macht keinen Spaß mehr…“, meinte eine männliche Stimme, „Ich wusste ja nicht, dass er so viele neue Freunde kennenlernt…“
„Dann hättest du dir diese Prophezeiung eben nicht ausdenken müssen“, antwortete eine alte Frau mit silbernem Haar.
„Kann ja nicht wissen, dass Ginta das so schnell wieder vergisst…“, schmollte er.
„Tja, anscheinend legt er nicht so viel Wert auf dich“, kicherte die Frau.
„Dann wäre es wohl besser, wenn du sie jetzt aufklärst…“
„Das gibt es nicht… erst benutzt du meine Fähigkeiten in die Zukunft zu sehen, damit du deine Spielchen spielen kannst und dann willst du, dass ich alles wieder gut mache… Du bist ein Kindskopf wie eh und je!“, beschwerte sich die Frau und stand von ihrem Bett auf.
„Ach bitte… Uzryuuk“, bat er und sprang auch vom Bett.
„Nun gut…“, sagte sie und ging wieder ins Wohnzimmer, wo sie von Ginta und seinen Freunden schon erwartet wurde.
Etwas früher am Tag:
Es war ein angenehmer Tag. Nicht zu heiß und nicht zu kalt.
Sanft fuhr der Wind durch Gintas Haare.
„Wie lang ist es noch, bis wir die nächste Stadt erreichen?“, fragte er.
„Scheint nicht mehr weit zu sein“, erklärte Sayoko, die die Karte in Händen hielt.
„Mir ist langweilig…“, seufzte Tsuru, die sich schlapp über Kûosas Schulter hängen ließ, „Ich will endlich da sein!“
„Es ist ja nicht mehr weit…“, versuchte Shiana sie zu beruhigen, „Das hat Sayoko doch schon gesagt.“
„Mhh…“, brummte die kleine Tsuru.
„Ich schätze… wir können vorher schon einen Stopp machen“, erklärte Matra und blieb stehen.
Alle drehten sich zu ihr um.
„Wieso das denn?“, fragte Jumon neugierig.
„Da!“, meinte sie und zeigte mit dem Finger auf ein Haus, das plötzlich in der Gegend stand, „Da ist eine Frau die uns zuwinkt… Vielleicht will sie was von uns?“
„Du hast aber gute Augen“, meinte Jumon und versuchte das Haus in der Ferne zu erspähen, „Tatsächlich, da ist ein Haus…“
„Dann gehen wir doch einmal hin…“, schlug Ginta vor, der in diesem Moment fast von Kûosa umgestoßen wurde.
„Schneller Kûosa, schneller!“, lachte Tsuru lauthals, die Kûosa zum Rennen animierte.
Der Hasenbär sauste voraus. Doch die Anderen liefen im selben Schritttempo weiter, wie sie es vorher schon getan haben.
Nach einer Weile kamen sie am Haus an.
„Guten Tag!“, begrüßte Uzryuuk die Freunde.
„Was… was machen Sie denn hier?“, wunderte sich Ginta, der sich in diesem Moment an alles erinnerte.
„Sie waren doch die alte Dame, die wir auf dem Berg Shimorita getroffen haben…“, erklärte Jumon, der gerade nicht genau wusste, was er noch dazu sagen sollte.
„Was machen sie denn hier?“, fragte sich Sayoko, die fragend eine Augenbraue nach oben zog.
„Oh… schön euch wieder zu sehen! Ich… ja, wie soll ich das erklären, ich habe mehrere Wohnsitze“, lachte Uzryuuk, „Und ihr habt also neue Freunde kennengelernt?“
„Oh…“, meinte Ginta, „Darf ich euch vorstellen? Matra, Tsuru, Kûosa, das ist Uzryuuk, wir sind ihr schon einmal begegnet…“
„Schön euch kennenzulernen“, grinste die alte Dame und bat die Freunde in ihr Haus.
„Sie wohnen also auch hier?“, fragte Ginta, der sich das Haus etwas genauer ansah. Leider fiel es ihm nicht auf, dass es genauso eingerichtet war, wie in dem Haus, in dem sie zuerst waren.
„Ich habe Verwandte in der Stadt…“, erklärte sie, während sie anfing Tee zu kochen.
Shiana, Jumon, Sayoko und Matra setzten sich auf das Sofa in der Mitte des Wohnzimmers.
Ginta stellte seine Taschen daneben und im selben Augenblick sprang Myu aus dieser heraus. Kûosa merkte das sofort und wollte sie einfangen, doch Myu war schneller und sprintete ins Schlafzimmer.
Als Uzryuuk den Tee gekocht hatte, servierte sie ihn den Freunden. Danach holte sie noch Knabbereien aus dem Schrank und stellte diese auf den Tisch.
„Genießt den Tee, ich bin gleich wieder da“, sagte sie und verschwand aus dem Wohnzimmer.
„Was hat es mit dieser Frau auf sich?“, wunderte sich Matra, „Sie sieht ein wenig so aus, als würde sie aus meinem Dorf stammen…“
„Meinst du?“, hakte Jumon nach.
„Gewisse Ähnlichkeiten hat sie ja mit dir, Matra“, lachte Sayoko.
„Ach…“, brummte Matra und sah Sayoko giftig an.
„Dann erzähl ich euch, wie wir sie zuerst kennengelernt haben…“, fing Ginta an und erzählte den Freunden, die Uzryuuk noch nicht kannten, die Geschichte.
In der Zwischenzeit setzte sich Uzryuuk auf ihr Bett.
„Wie geht es dir so?“, fing sie an.
„Ach… weißt du… Das macht keinen Spaß mehr…“, antwortete plötzlich eine männliche Stimme, „Ich wusste ja nicht, dass er so viele neue Freunde kennenlernt…“
„Dann hättest du dir diese Prophezeiung eben nicht ausdenken müssen“, antwortete sie und seufzte schwer.
„Kann ja nicht wissen, dass Ginta das so schnell wieder vergisst…“, schmollte er.
„Tja, anscheinend legt er nicht so viel Wert auf dich“, kicherte sie.
„Dann wäre es wohl besser, wenn du sie jetzt aufklärst…“
„Das gibt es nicht… erst benutzt du meine Fähigkeiten in die Zukunft zu sehen, damit du deine Spielchen spielen kannst und dann willst du, dass ich alles wieder gut mache… Du bist ein Kindskopf wie eh und je!“, beschwerte sich die Frau und stand von ihrem Bett auf.
„Ach bitte… Uzryuuk“, bat er und sprang auch vom Bett.
„Nun gut…“, sagte sie und ging wieder ins Wohnzimmer, wo sie von Ginta und seinen Freunden schon erwartet wurde.
„Ich muss euch etwas beichten…“, sagte Uzryuuk, kratzte sich am Kopf und setzte sich in einen Sessel.
„Was ist denn?“, hakte Ginta nach.
„Erinnert ihr euch noch damals, als ich euch eure Prophezeiung erzählt habe?“
Uzryuuk fühlte sich unwohl dabei, die Geschichte mit der Prophezeiung jetzt einfach so aufzulösen.
„Prophezeiung… Prophezeiung…“, stammelte Ginta vor sich hin.
„Weißt du das nicht mehr, Ginta?“, meinte Sayoko, „Ich weiß es definitiv noch, weil ich sie nicht hören wollte…“
„Das stimmt, Sayoko… Nun ja, wisst ihr… Die Sache mit der Prophezeiung ist eigentlich ausgedacht. Ich wurde sozusagen gezwungen, sie euch zu erzählen!“
„Also gibt es so etwas wie eine Prophezeiung gar nicht?“, wiederholte Jumon.
„Richtig. Man wollte nur sehen, wie ihr euch den Kopf darüber zerbrecht.“
„Das ist echt eigenartig“, murmelte Matra und nahm einen Schluck von ihrem Tee.
„So ist das also“, meinte Ginta, „Und wer hat sich das ausgedacht?“
„Mh… Das kann ich euch nicht sagen! Den kennt ihr sowieso nicht“, lachte Uzryuuk nervös.
„Gut, wenn das so ist…“, sagte Sayoko und lehnte sich zurück.
Dann sah Uzryuuk die Freunde an. Sie hielt etwas inne, als sie Shiana erblickte, aber drehte ihren Kopf kurz darauf weiter.
„Sag mal, Ginta… Wo sind denn der Schwertkämpfer und das blonde Mädchen?“, erkundigte sich die alte Frau.
„Oh, das ist so eine Geschichte…“, fing Ginta an, setzte seine Tasse auf den Tisch und kratzte sich am Hinterkopf, „Oto hat ihre Ausbildung im Med-Dorf angefangen… Und Ryoma…“
Ginta sagte für einen Moment nichts.
„Ryoma ist abgehauen…“, beendete Shiana den Satz.
Verwundert sah Ginta sie an.
Hatte Shiana das gerade wirklich gesagt? Ginta fiel jetzt plötzlich auf, dass das Verschwinden Ryomas nicht nur ihn selbst betraf, sondern seine Freunde darüber sicherlich auch eine Meinung hatten. War Shianas Meinung darüber eher negativ? In Ginta schwirrten auf einmal wieder viele verschiedene Gedanken wild umher.
„So ist das also… Aber vergesst nicht, man sieht sich immer zweimal im Leben, nicht wahr?“, grinste die Frau und nahm einen Schluck vom Tee.
„Ja… so ist es“, flüsterte Ginta.
„Ihr müsst unbedingt meinen Enkel kennenlernen!“, fing Uzryuuk plötzlich an, „Er wohnt in der nächsten Stadt, nicht weit von hier. Ein unglaublich netter Kerl. Ihr werdet bestimmt gute Freunde.“
Sie grinste Ginta bis über beide Ohren an.
„Wie heißt ihr Enkel denn?“, hakte Jumon nach. Uzryuuks Verhalten irritierte ihn. Erst erzählte sie groß von Prophezeiungen, erzählte ihnen dann, dass diese nur eine erfundene Geschichte waren und nun wollte sie, dass sie ihren Enkel kennenlernen. Also irgendwie war da doch etwas faul.
Jumon entdeckte aus dem Augenwinkel, wie die Schlafzimmertür auf einmal etwas aufging. Nur kam keine Person aus dem Zimmer. War es nur der Wind?
Myu kletterte aufs Sofa und setzte sich auf Gintas Schoß. Er kraulte sie.
„Sein Name ist Denji Atsui. Ach… wenn ihr ihn seht, dann erkennt ihr ihn“, lachte Uzryuuk und stopfte sich nervös drei Kekse in den Mund.
„Denji Atsui also?“, murmelte Sayoko und zog dabei eine Augenbraue fragend nach oben.
„Dann gibt es kein warten!“, stieß es aus Ginta plötzlich heraus, der die Faust nach oben hielt.
Kûosa, der hinter ihm stand, fand das anscheinend so witzig, dass er die gleiche Pose wie Ginta einnahm.
„Dann geht es auf zur nächsten Stadt! Vielen Dank für den Tee und die Kekse… Man sieht sich“, bedankte sich Ginta und zerrte seine Freunde nach Draußen. Er war plötzlich so motiviert und voller Elan, dass sich seine Freunde kaum wehren konnten. Die Reise ging weiter.
Uzryuuk stand vor ihrer Hütte und betrachtete die jungen Leute, die gerade von Ginta angestachelt worden waren. Ein letztes Mal winkte sie ihnen.
„Dass du deine Pläne erfüllt bekommen willst“, sagte sie leise, „hält dich nicht davon ab, solche Tricks anzuwenden. Wann lernst du, dass man andere Menschen nicht manipuliert? Kommt davon, dass du nun in diesem Körper steckst.“
Kapitel 61 – Donnergrollen
Dicke, schwarze Wolken bildeten sich langsam am Himmel. Es wurde merklich kühler und windiger.
„Großpolisheim“, las Sayoko vor.
„Was für ein merkwürdiger Name für einen Stadt“, meinte Matra und runzelte die Stirn.
„Hoffentlich sind die Menschen nicht so merkwürdig, wie der Name dieser Stadt“, hoffte Jumon und öffnete das Stadttor.
Dann trat einer nach dem anderen ein. Vor den Freunden erstreckte sich eine schöne Stadt, dessen Straßen gepflastert waren und dessen Häuser allesamt edel verziert waren. Auf den Straßen ging es lebendig zu. Viele Menschen liefen hin und her, betraten Geschäfte oder verließen jene. Ein Junge versuchte an einer Straßenecke Zeitung zu verkaufen. Es sah so aus, als würde er sich damit sein Brot verdienen.
Als die Freunde an dieser Ecke vorbeikamen, kaufte sich Sayoko eine Zeitung, bezahlte dem Jungen etwas mehr und blätterte dann in den regionalen Nachrichten.
„In dieser Stadt passiert wirklich viel…“, bemerkte Sayoko.
„Da hast du wohl recht“, meinte Ginta und sperrte seine Augen weit auf. Es schien so, als ob er auf irgendetwas warten würde.
„Schau mal, wie die Leute uns anstarren…“, brummte Matra, die das Getümmel wohl gar nicht mochte.
„Wir sollten lieber weiterlaufen, anscheinend fällte Kûosa sehr auf“, bemerkte Jumon und versuchte die glotzenden und starrenden Menschen zu ignorieren.
„Aber Kûosa ist doch so toll!“, quietschte Tsuru, die Kûosa an der Pfote hielt.
„Weißt du, die anderen haben so etwas wie Kûosa noch nie gesehen“, versuchte Shiana zu erklären.
„Dann sollten sie ihn kennenlernen“, schmollte das kleine Mädchen, „Wie kann man ihn denn nicht mögen!?“
„Das fällt mir nicht schwer“, murmelte Matra und schaute Kûosa schief von der Seite an.
„Wollen wir uns ein wenig in der Stadt umsehen?“, schlug Ginta vor, „Wenn ihr wollt, können wir uns auch aufteilen. Wir müssen uns dann nur noch wieder treffen!“
„Klar, wieso nicht“, meinte Sayoko und warf nochmal einen Blick auf die Karte, bevor sie diese wegsteckte.
„Wie wäre es, wenn wir uns in zwei Stunden dort in dem Café treffen?“, erklärte Ginta und zeigte auf ein Café, das nicht weit entfernt war.
„Geht klar… möchte jemand mit mir in die Bibliothek?“, fragte Jumon.
„Klar, ich komme mit… Da hat man wenigstens seine Ruhe“, sagte Matra und schloss sich Jumon an.
Dann gingen die Beiden.
„Ich möchte unbedingt in Spielzeugläden!“, brüllte Tsuru.
„Dann sollte ich dich lieber Begleiten“, sagte Sayoko und seufzte.
‚Ich möchte sie lieber nicht allein lassen…‘, beendete sie ihren Satz in Gedanken.
„Gut, dann komme ich auch mit“, verkündete Shiana und schloss sich dieser Gruppe an.
„Bin ich wohl eine Ein-Mann-Gruppe“, sprach Ginta zu sich selbst und schlenderte durch die Straßen.
Einige Zeit später erreichten Jumon und Matra die Bibliothek. Es handelte sich um ein riesiges Gebäude, das mit Säulen geschmückt war. Nachdem man einige Treppenstufen hinter sich brachte, konnte man auch schon durch den Eingang in eine riesige Halle dieses großen Gebäudes gelangen.
Jumon machte große Augen, als er die gigantischen Regale erblickte, die wirklich alle voller Bücher waren. Ein Wunder, dass sie nicht so voll gestopft waren, dass die Bücher auf der anderen Seite wieder herausfielen.
Schnell prägte sich der Junge den Plan ein, der am Eingang hing und ging intuitiv zu der Ecke mit den Büchern über Altes und Spirituelles.
Matra hingegen interessierte sich nicht für etwas spezielles und schmökerte sich so einfach durch einige Bücher.
Auf einigen Bänden war sogar noch etwas Staub, den Jumon verwundert wegwischte.
„Hier muss es doch irgendwo sein“, sprach er zu sich selbst während er mit dem Finger die Titel der Bücher nachfuhr, damit er sie besser lesen konnte.
„Das habe ich schon, das habe ich dreimal gelesen… Wo steckst du nur? Ah, da!“, bemerkte er fröhlich und zog einen dicken Wälzer aus dem Regal.
Er schlug das Buch auf und überflog erstmal den Index. Dann blätterte er aufgeregt zu einer bestimmten Seite.
„Wie lange habe ich darauf gewartet, von euch zu lesen“, sprach er wieder zu sich selbst und las aufgeregt in das ausgewählte Kapitel hinein.
Das Kapitel handelte von einer alten Organisation, die sich Kinno-Bujin nannten, eine Gruppe von Spirituellen, die Bündnisse mit Geistern schlossen. Ihr Anführer nannte sich Miraa Liade.
Die Kinno-Bujin dienten einst einem Königreich, das mit einem weltbewegenden Krieg zu tun hatte. Doch irgendetwas musste mit dem Anführer passiert sein, da er eines Tages verschwand.
„Was liest du da?“, unterbrach ihn Matra neugierig. Sie setzte sich an den Tisch, an dem er sich mit dem Buch niedergelassen hatte.
„Ein Buch über uralte Zirkel, die Bündnisse mit Geistern geschlossen haben…“, erklärte Jumon knapp und las weiter.
„Klingt sehr interessant, magst du mir ein wenig davon erzählen?“, bat Matra die sich wohl sonst zu sehr langweilte.
„Okay, wieso nicht…“, atmete Jumon kurz auf und überflog noch einmal kurz, was er las, „Es geht um eine Gruppe namens Kinno-Bujin, die einst in einem alten Königreich dienten. Sie schlossen allesamt Bündnisse mit Geistern und erlangten dadurch an starke Macht. Ihr Anführer war ein gewisser Miraa Liade. Er wird was die Kinno-Bujin angeht, immer erwähnt, scheint wohl ein berühmter Mann gewesen zu sein.“
„Irgendwie kommt der Name mir bekannt vor“, grübelte Matra, „Es kann sein, dass ich in unserem Dorf einmal alte Schriften überflogen habe und sein Name darin vorkam.“
„Also scheint er ein wichtiger Mann gewesen zu sein. Doch es ist nicht viel über ihn zu Lesen. Entweder fehlen Informationen oder es wird nur erwähnt, dass er eines Tages verschwunden ist, wieso auch immer. Dabei ist er das wichtigste Mitglied gewesen.“
„Klar, als Anführer“, murmelte Matra und kratzte sich am Kinn, „Sag mal, wieso interessiert dich das denn so?“
„Ach weißt du, ich habe schon einige Bücher über die Thematik der Geister gelesen und immer wieder stoße ich auf diese Namen. Einige Autoren behaupten sogar, dass die Kinno-Bujin den Grundstein der Bündnisse mit den Geistern gelegt haben.“
„Zumindest was die Macht erlangen angeht, nicht wahr? Mir wurde gelehrt, dass die Menschen, die Tiere und sogar die Pflanzen schon immer in Eintracht mit den Geistern gelebt haben.“
„Bis dieses Verhältnis irgendwie gestört wurde und durch den antiken Krieg wieder zerstört wurde…“, beendete Jumon ihren Satz, „Jedoch haben sich einige andere Zirkel sich ein Beispiel an den Kinno-Bujin genommen und versucht, Bündnisse mit den Geistern aufrechtzuerhalten.“
„Wie ich sehe, ist das Thema doch recht spannend“, lächelte Matra.
Erst realisierte dies Jumon gar nicht, doch dann musste auch er lächeln. Ein komisches Gefühl war das für ihn, Matra einmal ehrlich lächeln zu sehen, doch es gefiel ihm. Vielleicht konnte er der kühlen Matra so doch ein wenig näher kommen, zumindest auf freundschaftlicher Basis.
„Nun ja… Und ich bin schon lange auf der Suche nach mehr Informationen über diesen Miraa Liade“, erzählte Jumon.
Er überflog den Rest des Kapitels. Enttäuscht verkündete er: „Jedoch scheint mir dieses Buch auch nicht wirklich etwas mehr zu erzählen, echt enttäuschend.“
„Ach, irgendwann wirst du schon das richtige Buch finden“, munterte Matra ihn auf.
In der Zwischenzeit ging es in einem ganz anderen Gebäude in der Stadt wild zur Sache.
„Das Ding kann hier nicht rein!“, versuchte ein Mann mit Halbglatze und Brille den Mädchen klarzumachen.
„Nein nein, das geht schon gut!“, versicherte Sayoko, „Der gehört zu uns und ist auch wirklich brav.“
„Er ist brav!“, brüllte Tsuru und quietschte laut, als sie eine Super Special Deluxe Puppe sah, mit einem Cabrio und Strandzubehör.
„Tsuru… Sayoko…“, stotterte Shiana, die sich bei dieser Diskussion etwas zurückhielt.
„Aber Tiere sind hier nicht gestattet und anderes Spielzeug sowieso nicht… und das Ding hier scheint ja wohl beides zu sein!“
Kûosa versteckte sich ängstlich hinter einem Regal. Anscheinend schüchterte ihn der Mann wohl sehr ein.
„Hören sie auf, ihn ein Ding zu nennen, sein Name ist Kûosa!“, schrie Tsuru und rannte danach gleich wieder zum Regal, als sie den Surferboy, den besten Freund dieser Puppe zum Super-Sonderpreis sah.
„Verstehen sie nicht!?“, machte Sayoko klar, während sie fast auf ihren Zähnen knirschte, als sie dem Mann bedrohlich näher kam, „Wenn sie Kûosa rausschicken brüllt die Kleine hier noch mehr herum, als sie es gerade schon tut und das verscheucht ihnen nur noch mehr Kunden. Außerdem bin ich kurz davor einen Migräne-Anfall zu bekommen, wegen der Kleinen und erst recht wegen ihnen!“
„Sayoko, beruhige dich…“, sagte Shiana leise und zerrte sie von dem Mann wieder weg.
„Ist ja gut…“, gab der Mann nach und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der glänzenden Stirn.
„Danke sehr“, seufzte Sayoko und genehmigte sich erst einmal, gestresst wie sie wahr, einen köstlichen Schluck Saft.
Erleichtert seufzte Shiana aus, erschrak dann jedoch wieder, als Tsuru mit einem Arm voller Puppen wieder ankam.
„Kauft ihr die mir?“, bat sie in ihrer quietschigsten Stimme und machte dabei große, glitzernde Augen.
Sayoko hätte sich fast an ihrem Saft verschluckt, als sie das sah.
„Ich glaube, das ist nicht möglich, Tsuru“, versuchte Shiana es ihr verständlich zu machen.
„Aber, aber…“, stotterte Tsuru und fing plötzlich an lauthals zu weinen.
„Nicht auch noch das…“, seufzte Sayoko und steckte ihre Flasche weg.
Zur selben Zeit befand sich Ginta in einem kleinen Park und saß gemütlich auf einer Bank.
Er sah sich die Leute an, die im Park spazierten und Kinder die spielten.
Als er so um sich sah, entdeckte er auf einmal ein altes Pärchen die nicht weit weg von Ginta ebenfalls auf einer Bank saß. Gerade noch konnte er sie hören.
„Es wird wohl noch ein Gewitter geben“, meinte die alte Frau.
„Ach, Liebling, dann sollten wir wohl bald zurück nach Hause und uns vor unseren Kamin kuscheln“, schlug der Mann vor, der liebevoll seinen Arm um sie legte.
Dann küssten sich die beiden und standen auf. Einige Tropfen fielen schon vom Himmel und der alte Mann spannte einen schwarzen Regenschirm, den er dabei hatte. Arm in Arm gingen sie dann davon.
„Die sind sicher lange verheiratet“, meinte Ginta und kraulte Myu etwas, „Bemerkenswert, wie man so lange zusammenbleiben kann…“
Es tropfte nun etwas mehr. Ginta ließ sich davon wohl nicht stören, aber Myu konnte das gerade gar nicht ab. Sie streckte sich, kletterte wieder in Gintas Tasche und schlief etwas.
„Wie viel Zeit wohl vergangen ist?“, wunderte sich Ginta und sah sich wieder etwas um, „Wenn man mal sich irgendwo hinsetzt und nachdenkt, verfliegt die Zeit im Nu.“
Nachdem er sich noch einmal streckte, stand auch Ginta wieder auf, nahm seine Tasche und ging in Richtung Café. Ob seine Freunde schon auf ihn warteten?
Als er so durch den Park schlenderte, dachte er weiter nach.
‚Ob ich das mit Shiana nicht lieber vergessen sollte? Sie ist in letzter Zeit so komisch und ich denke ich hab sowieso keine Chance näher an sie heranzukommen…‘, grübelte er nach und schubste einen kleinen Kieselstein mit seinem Fuß beiseite, ‚Gut, fangen wir gleich an die ganze Sache zu vergessen. Wer wohl dieser Denji ist?‘
Plötzlich hörte man ein lautes Donnergrollen. Kurz darauf regnete es auch stärker. Das Gewitter hatte die Stadt erreicht.
Ginta lief nun schneller. Mittlerweile hatte er den Park verlassen, wie es nun auch viele andere Taten. Spaziergänger, Mütter mit ihren Kindern und viele andere Leute. Als Ginta so durch die Straßen der Stadt lief, wurde der Regen immer intensiver und seine Kleidung fing schon an, sich mit Wasser vollzusaugen.
Nass wie er war, erreichte er dann doch noch das Café, bevor das nächste Donnergrollen zu hören war. Vor dem Eingang drückte er seinen Umhang etwas aus und schüttelte seine Füße trocken. Nachdem er sich dann auch noch versicherte, dass es Myu gut ging, betrat er das Café.
Ginta sah sich um, doch wo waren seine Freunde?
Das Café war schön. Überall saßen Leute, aßen Kuchen und tranken etwas, plauderten miteinander und hatten anscheinend viel Spaß. An einem Fenster konnte Ginta ein verliebtes, junges Pärchen entdecken.
Was war nur los? Überall schienen nur Pärchen zu sein. Er seufzte kurz auf und sah sich weiter um. An einer Wand ganz hinten im Café, saßen seine Freunde an einem großen Tisch. Freudig winkte die kleine Tsuru ihm zu und rief: „Hier sind wir, Ginta, hier!“
Als er dem Tisch näher kam, merkte er schon, wie schadenfroh Sayoko und Jumon grinsten.
„Bist wohl nass geworden?“, bemerkte Jumon hämisch.
„Ja, etwas…“, antwortete Ginta und setzte sich zu seinen Freunden.
„Hier wärme dich etwas auf“, sagte Shiana und schob ihm eine Tasse Kakao hin, „Der ist für dich.“
„Für mich? Das ist aber lieb, danke“, bedankte er sich und sah in die Tassen der anderen, „Und was trinkt ihr?“
„Ich trinke einen Tee“, meinte Matra und nahm einen Schluck.
„Tsuru haben wir auch einen Kakao bestellt“, antwortete Shiana.
„Und wir drei haben uns eine leckere Tasse Kaffee gegönnt“, erklärte Sayoko und rührte noch etwas in ihrem herum.
„Ihr trinkt wirklich Kaffee?“, wunderte Ginta sich und nahm einen kleinen Schluck von seinem Kakao, „Ihr hättet mir ruhig auch einen bestellen können.“
„Als ob er dir schmecken würde“, behauptete Jumon während er nebenher in einem Buch herumblätterte.
„Ich bin doch kein Kind mehr, wenn selbst du einen Kaffee trinkst“, gab Ginta zur Antwort.
„Dann probiere ihn doch mal.“
Jumon schob Ginta seine Tasse hin. Doch schon nach dem ersten Schluck verzog Ginta seine Miene.
„Ist wirklich bitter“, murmelte er und schob die Tasse wieder von sich weg und nahm sich gleich einen großen Schluck von seinem Kakao.
Shiana musste grinsen. Anscheinend fand sie es lustig, wie Ginta versucht hatte einen Eindruck zu hinterlassen.
„Hach“, seufzte Ginta, „Kakao ist doch auch in Ordnung, nicht wahr Tsuru?“
„Japp“, grinste sie und gab Kûosa etwas von ihrem ab.
Draußen wurde der Regen immer heftiger, immer wieder blitzte und donnerte es. Gemütlich war dieses Wetter nur, wenn man irgendwo drinnen sitzen konnte und das Wetter nur beobachten musste.
Plötzlich stand ein Mann mit langen blonden Haaren auf.
„Oh~ Leider muss ich dich schon verlassen ♪“, meinte er und fing plötzlich an zu singen, „Jetzt bist du wieder allein, allein♫ denn ich bin wieder weg, so allein allein ♪“
Es hörte sich grauenhaft an, denn er schaffte es nicht einmal die Töne im Entferntesten zu Treffen.
Der junge Mann, der neben ihm gesessen ist, stand nun auf und drückte ihn.
„Es tut mir Leid, Edoph. Aber wir sehen uns sicherlich irgendwann wieder! Du weißt ja wo ich wohne, also komm doch mal vorbei, ja?“, verabschiedete sich der Mann von ihm.
Er hatte kinnlanges, hellbraunes Haar und trug einen auffälligen weißen Anzug, der mit Gold verziert war. Wohl einer von der reicheren Sorte, dachten sich die Freunde, die die Situation unauffällig beobachteten.
„Aber kommst du auch gut nach Hause?“, hakte der junge Mann noch einmal nach, „Es gewittert doch so stark.“
„Mach dir doch keine Sorgen, Denji“, versicherte ihm Edoph, „So ein Gewitter wird mir nichts aus machen!“
„Wenn du meinst“, sagte Denji noch, drückte Edoph noch ein letztes Mal, „War schön, dich mal wieder getroffen zu haben.“
Dann setzte er sich wieder hin.
„Das soll Denji sein?“, wunderte sich Ginta und wandte sich wieder zu seinen Freunden.
„Anscheinend ist er das“, murmelte Jumon und nahm einen Schluck Kaffee.
„Aber es gibt doch bestimmt viele, die so heißen, oder? In meinem Dorf gab es drei weitere Mädchen mit meinem Namen“, erläuterte Matra.
„Uzryuuk meinte doch, dass wir ihn schon erkennen, wenn wir ihn sehen“, warf Sayoko ein.
Im nächsten Moment wurde Kûosa ganz nervös und stupste Shiana an die Schulter. Mit einer sehr lustigen Pantomime versuchte er ihr klarzumachen, was da vor sich ging. Neugierig blickte Shiana in die Richtung, in die Kûosa zeigte und sie erkannte eine alte, ihnen bekannte Frau.
„Wenn man von ihr spricht…“, sagte Shiana, in ihrer gewohnten, leisen Stimme.
„Oh! Denji, da bist du ja“, stieß es aus Uzryuuk heraus, als sie ihren Enkel entdeckte. Fest umarmte sie ihn und sah sich noch um bevor sie sich setzen wollte.
„Wen haben wir denn da drüben? Ginta und seine Freunde!“, rief sie durch das halbe Café und zerrte an Denji, sodass er aufstand.
Die Freunde waren erstaunt darüber, dass dies doch der Denji war.
„Schön dich zu sehen“, begrüßte Ginta Uzryuuk und ihren Enkel.
„Schön euch wieder zu sehen“, grüßte sie zurück.
„Als ob man sich nicht erst gesehen hätte“, warf Matra leise ein.
„Darf ich euch vorstellen? Das ist mein Enkel Denji! Denji, das sind Ginta und seine Freunde, von denen ich dir erzählt habe.“
„Schön euch kennenzulernen“, grüßte Denji sie und verbeugte sich, „Meine Großmutter hat mir schon viel von euch erzählt. Aber sag mal, Großmutter, wieso wolltest du mich jetzt so dringend sprechen?“
„Ach, weißt du, Denji…“, fing sie an und kratzte sich am Bauch, „Weißt du, dir ist doch so oft langweilig und da dachte ich, dass es doch ganz cool wäre, wenn du mit Ginta und seinen Freunde reisen würdest.“
Hatte sie gerade cool gesagt? Ginta wunderte sich gerade nur noch über diese alte Frau.
„Reisen? Mit den Leuten?“ Er sah durch die Gruppe, erschrak als er Kûosa entdeckte, musterte ihn dann jedoch neugierig und lies seinen Blick wieder Schweifen.
„Das sind Sayoko, Kûosa, Tsuru, Shiana, Jumon, Matra und wie gesagt Ginta“, zählte Uzryuuk auf, „Ganz nette Leute, du wirst sicher deinen Spaß haben! Aber ich muss jetzt wieder los!“
Schnell grinste sie die Freunde zum Abschied an, zwinkerte Myu, die gerade aus Gintas Tasche spähte, zu und verschwand so schnell wie sie gekommen war.
„Tja…“, murmelte Denji und kratzte sich am Ohr.
„Hol dir doch noch einen Stuhl“, schlug Sayoko vor, „Und setze dich zu uns.“
Als er dies dann auch machte, konnte das Kennenlernen beginnen.
„Du bist also dieser Denji…“, meinte Ginta und nahm einen Schluck von seinem Kakao.
„Mein Name ist Denji Atsui, bin 18 Jahre alt und joarr“, stellte er sich vor.
So wie er es tat, stellten sich die anderen auch mit Namen und Alter vor.
„Woher kennt ihr meine Großmutter denn eigentlich?“, fragte er in die Runde.
„Ach weißt du“, fing Ginta an zu erklären, „Wir haben sie einmal einfach in einem Haus im Nirgendwo kennengelernt.“
„Im Nirgendwo? Wie kommt meine Großmutter ins Nirgendwo?“, lachte Denji.
„Nördlich des Berges Shimorita auf einem Pfad lebte sie in einem Haus. Aber anscheinend ist das nicht ihr einziges Anwesen“, wunderte sich Jumon.
„Das ist Quark. Meine Großmutter wohnt hier schon, seit ich denken kann und war noch nie auf Reisen oder so“, erklärte Denji und spielte etwas mit einer Serviette herum.
„Das ist echt merkwürdig“, warf Sayoko ein. Dann fragte sie: „Du kommst von hier, richtig?“
„Ja, ich wohne hier in der Nähe. Bin hier groß geworden…“
„Kann es sein, dass dein Vater Politiker ist? Ich habe heute in der Zeitung etwas über ihn gelesen“, erkundigte sich Sayoko weiter.
„Ja“, seufzte Denji, „Mein Vater ist hier so etwas wie der nächste Bürgermeister. Das nervt echt schön, sein einziger Sohn zu sein.“
„Was machst du so, den ganzen Tag?“, fragte Ginta.
Irgendwie war ihm Denji sehr sympathisch. Er war nett und machte wirklich einen guten Eindruck.
„Das ist es ja. Ich langweile mich hier zu Tode!“, beschwerte sich Denji und raufte sich durch die Haare.
„Das meinte Uzryuuk also damit…“, stellte Matra fest, „Sie will, dass du uns begleitest, nicht wahr?“
„Anscheinend…“, murmelte Denji und sah sich noch mal die Freunde etwas genauer an, „Ihr hättet doch nichts dagegen, oder?“
„Eine helfende Hand mehr, kann doch nicht schaden, oder?“, lachte Jumon.
„Aber weißt du“, fing Ginta an und kam Denji etwas näher, „Unser Ziel ist es gegen eine Organisation anzukämpfen, die sich Shal nennen, hast du von denen schon mal etwas gehört?“
„Nein“, schüttelte er den Kopf, „Großpolisheim hatte schon lang keine Verbrecherrate mehr von über vier Prozent und falls diese Organisation auch solche Verbrecher sind, dann wundert es mich nicht, das ich sie nicht kenne.“
„So ist das also…“, grübelte Ginta und kratzte sich am Kinn.
„Die Shal sind wirklich keine Spaßgesellschaft. Des Öfteren werden wir in gefährliche Kämpfe verwickelt“, erklärte Sayoko, nachdem sie noch einen Schluck Kaffee hatte.
„Ach, das ist nicht schlimm! Schon von klein auf lerne ich eine bestimmte Kampftechnik in einer Kampfschule, nicht weit von hier, man will doch fit bleiben, nicht wahr?“, lachte er und stupste Ginta mit seinem Ellbogen. Gintas Amulett vibrierte leicht. War es wieder dieses Zeichen?
„Dann wird das wohl kein Problem sein“, meinte Matra, die Denji noch etwas musterte.
„Wenn ihr wüsstet!“, lachte Denji und fing an eine Geschichte aus seiner Vergangenheit zu erzählen. Es ging irgendwie um einen riesigen, dicken Jungen der ihn immer ärgerte, aber jedoch von ihm so verprügelt wurde, dass er nie wieder in seine Nähe kam.
Und diese Geschichte brach dann das Eis. Die Freunde fingen an sich gegenseitig Geschichten von früher auszutauschen. Zunächst ging es auch darum, wer wen wie oft verprügelte – Sayoko war da ganz vorne mit dabei – und dann wurde Denji so neugierig, dass die Freunde ihm erzählen mussten, was sie so erlebt haben, bevor sie mit auf diese Reise kamen und wieso sie sich für diese Reise entschieden. Ihm wurde auch von Oto und Ryoma erzählt, natürlich auch von Ama, den Vastus Antishal, von Yuu und der Insel und von all den anderen lustigen und Personen, die Ginta und die anderen bisher getroffen hatten. Auch erzählten sie ihm alles über die Shal und jedes Detail davon, wie sie mit dieser dunklen Organisation schon konfrontiert wurden.
Bis spät in den Abend saßen sie in dem Café. Zum Glück lud Denji sie zu sich in sein Apartment ein, damit sie sich noch eine Nacht lang ausruhen konnten. Doch er selbst konnte nicht wirklich schlafen. Aufgeregt, dass er nun mit auf diese Reise konnte, packte er das wichtigste Zeug in eine große Tasche.
Dann brach auch schon bald der nächste Morgen an.
Kapitel 62 – Gefangen im Geisterhaus
Als der nächste Morgen anbrach und die Freunde ihre Sachen packten, stand der Weiterreise nichts mehr im Wege.
Doch Denji Atsui, das neue Mitglied der Gruppe, hatte wohl noch einige Sachen zu erledigen, bevor er die Stadt verlassen konnte.
So gingen die Freunde also zu Uzryuuks Haus, wo sich Denji von seiner Großmutter verabschiedete. Danach ging es wieder zurück in die Stadt.
„Wisst ihr, ich will mein Apartment nicht leer zurücklassen“, erklärte Denji während er die Freunde durch einige ungemütliche Gassen der Stadt führte.
Nach kurzer Zeit erreichten sie dann einen kleinen Hof, in dem einige Kinder mit selbstgebastelten Spielzeugen spielten. Die Kinder sahen ungepflegt aus und trugen sehr abgenutzte Kleidung. Sayoko erkannte sofort, wo sie hier war. Ein dumpfes Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit.
Denji hielt inne und sah sich um. In einer schattigen Ecke saß ein junger Mann mit kurzem, schwarzem Haar und einem Umhang um seine linke Schulter gelegt.
„Nacho, da bist du ja…“, murmelte Denji und ging auf ihn zu.
„Denji, was machst du denn hier?“, wunderte sich der Kerl, der auf den Namen Nacho hörte. Zur Begrüßung stand er auf, wodurch sein Umhang zu Boden glitt. Was die Freunde dann jedoch erblickten, schockierte sie. Ihm fehlte der linke Arm.
Jedoch funkelten Denjis Augen, als er den Kerl kurz umarmte.
„Ach weißt du“, fing Denji an zu erklären, während er sich am Ohr kratzte, „Ich gehe auf Reisen. Zusammen mit diesen Leuten da.“
Denji warf einen Blick über seine Schulter. Sein Freund machte einen Schritt zur Seite und musterte Ginta und seine Freunde genau.
„Mit denen dort?“, wunderte er sich und zeigte auf sie.
„Ja, endlich komme ich von hier fort, Nacho…“, murmelte Denji.
„Hast du ein Glück“, entgegnete Nacho und wollte sich wieder hinsetzen, „Bist du hier um mir Lebewohl zu sagen?“
„Ja, das und…“, Denji holte den Schlüssel zu seinem Apartment aus seiner Hosentasche, „Du weißt ja, wo ich wohne. Du kannst da übernachten und nimm die Kinder mit, damit sie einmal ein richtiges Dach über dem Kopf haben, ja?“
„Das ist eine großzügige Spende, aber ich glaube ich muss ablehnen“, erwiderte Nacho und setzte sich hin. Dann zog er den Umhang wieder über seine Schulter.
„Vergiss es! Ich lasse mein Apartment nicht leer zurück. Nimm das jetzt an, bitte…“, bat ihn Denji.
Doch sein Gegenüber antwortete nicht. Dann war Denji ihm den Schlüssel vor die Füße.
„Wir sehen uns bestimmt einmal wieder“, verabschiedete er sich und ging wieder zu den Anderen. „Ich bin hier fertig, wir können gehen.“
Denji lächelte als er das sagte, doch man konnte erkennen, dass es ein gespieltes Lächeln war.
Ohne etwas zu sagen gingen seine neuen Freunde mit ihm.
Als sie die dunklen Gassen wieder verlassen hatten und sich langsam dem Stadttor in nördlicher Richtung näher kamen, brach Denji das Schweigen wieder.
„Ach, bevor wir die Stadt verlassen, würde ich doch noch so gern an einem alten Haus vorbei!“, bat er seine Freunde.
„Was für ein Haus denn?“, hakte Ginta neugierig nach.
„Mh… Wie kann ich das nur beschreiben?“, überlegte Denji, „Es ist ein altes Geisterhaus, das mir sehr am Herzen liegt.“
„Ein Geisterhaus?“, wunderte sich Jumon.
„Müssen wir da unbedingt vorbei?“, beschwerte sich Matra.
„Wenn es Denji doch wichtig ist“, bemerkte Sayoko.
„Ein Geisterhaus, ein richtiges Geisterhaus!“, jubelte Tsuru, die mal wieder auf Kûosas Schultern saß.
„Ja… ach wisst ihr! Seht es doch selbst, wir sind sowieso gleich da“, meinte Denji und lief gleich noch zwei Schritte schneller.
„Dann gehen wir halt noch zu diesem Geisterhaus“, murmelte Ginta vor sich hin. Irgendwie fand er es ganz in Ordnung, das alles noch mitzumachen. Denji war ja immerhin ein neuer Freund.
Gut, wobei er sich eingestehen musste, dass er ihn noch nicht so gut kannte. Aber trotzdem war schon so viel Vertrauen zu ihm in sich selbst, dass Ginta einfach keine Sorgen hatte.
Kurze Zeit später kamen die Freunde dann an diesem Geisterhaus an. Es war ein altes, verrottetes, großes Gebäude, das ganz allein in einer seelenruhigen Straße stand. Offensichtlich wohnte dort niemand mehr, was ja wirklich kein Wunder war, so wie das Gebäude aussah.
Denji öffnete das quietschende, schwarz lackierte Gartentor und ging dann auf die Veranda zu. Entweder war das Gebäude in den Jahren so verdreckt worden, oder die früheren Besitzer standen einfach darauf, die Fassaden und die Veranda in dunklen Farben zu streichen.
Denji öffnete langsam die Tür. Er musste dabei vorsichtig sein, denn die Türklinke fiel bei einer zu heftigen Berührung vielleicht schon ab.
Ginta und die Anderen folgten ihm unauffällig.
„Ach, dieser modrige Geruch ist immer noch der gleiche, wie früher…“, erklärte Denji und nahm nochmal einen kräftigen Zug dieser stinkenden Luft.
„Wie kann man sich an so etwas ekligem nur erfreuen?“, wunderte sich Matra, die sich in der Eingangshalle etwas umsah.
„Es riecht wirklich appetitlich…“, brachte Ginta gerade noch aus sich heraus, bevor er wieder die Luft anhielt.
„Kûosa! Es stinkt total!“, beschwerte sich Tsuru, die sich die Nase zuhielt. Kûosa tat es ihr gleich.
„Wem das Haus wohl gehört hat?“, wunderte sich Shiana, die gerade dabei war ein altes, verstaubtes Gemälde an der Wand zu inspizieren.
„Das weiß keiner“, meinte Denji, „Deswegen war dieses Haus auch früher solch ein Magnet für mich. Es war einfach spannend hinter seine Geschichte zu kommen, abgesehen von…“
„Abgesehen von was?“, fragte Sayoko, die gerade dabei war sich die Gegenstände, die herumstanden näher anzusehen. Sie ging durch den Raum. Jeder Schritt knarrte unter ihren Füßen.
„Und wieso ist das hier denn jetzt ein Geisterhaus?“, fragte Jumon, der mittlerweile im Wohnzimmer stand. Er betrachtete alte, zerstörte Regale, in denen wohl nur noch Spinnen hausten.
„Weil hier wirklich ein Geist haust“, antwortete Denji, der nun neben Jumon stand und ihm in die Seite stupste, „Ich habe ihn selbst gesehen. Vielleicht siehst du ihn auch.“
Denji atmete tief ein und wieder aus, dann gähnte er kurz und ging wieder zurück zu den Anderen.
„Ob er hier irgendwo ist?“, grübelte Jumon nach und schloss kurz seine Augen. Er konzentrierte sich und versuchte nur etwas zu spüren.
Auf einmal wurde es kühl und als er seine Augen wieder öffnete, war es recht dunkel.
„Was ist denn jetzt los?“, fragte er sich und ging in die Eingangshalle. Doch komischerweise waren seine Freunde da nicht mehr.
„Leute? Seid ihr irgendwo? Ginta? Sayoko? Jemand da?“, fragte er immer wieder als er durch den Raum ging.
Dann wollte er durch die Eingangstür nach draußen, doch als er die Tür öffnete und durch sie hindurch schritte, stand er plötzlich wieder im Wohnzimmer.
„Was ist denn jetzt los?“, wunderte er sich und sah sich verwirrt um.
Auf einmal hörte er das Knarren der Bodendielen, oder war es doch die Treppe? Er ging zurück in die Eingangshalle und da kam tatsächlich eine Person die Treppe herunter gelaufen.
„Wer bist du!?“, fragte Jumon aufgebracht die Person.
„So aber nicht, junger Mann. Ich bin immerhin älter als du, deswegen darfst du mich auch siezen“, meinte der Mann und stand nun vor Jumon. Er sah nicht als aus, die Kleidung die er trug konnte Jumon nicht wirklich zuordnen und anscheinend sprach der Mann ganz normal. Jedoch hatte er so eine merkwürdige Aura um sich herum.
„Wer… sind Sie?“, fragte Jumon nun viel wütender.
„Das kannst du mir beantworten. Jahrelang hast du meinem Namen nachgeforscht… Klingelt es jetzt?“
„Doch nicht etwa… Miraa Liade?“, murmelte Jumon.
„Richtig, Kleiner“, lachte der Mann, „Wenn du wüsstest, wie großartig es ist, unsterblich zu sein.“
„Jumon gib Acht!“, warnte ihn plötzlich eine andere, männliche Stimme.
„Was… was wollt ihr von mir!?“, brüllte Jumon plötzlich und raufte sich die Haare.
„Nicht du schon wieder…“, seufzte Miraa Liade, stützte seinen Arm auf seinen anderen und massierte sich die Schläfen, „Was willst du denn hier?“
Aus seinem Augenwinkel konnte Jumon einen kleinen dunklen Schatten erkennen, der auf Miraa Liade zusprang. Ein lautes Miauen war zu hören, als die Katze Myu auf Miraa Liades Gesicht sprang und es zerkratzte.
„Myu!? Was machst du denn hier!?“, rief Jumon, der vor Verwunderung fast umgefallen wäre.
„Das erkläre ich später!“, sprach die Katze mit der Männerstimme zu ihm.
„Was soll das hier!? Wo bin ich und was macht Myu und Miraa Liade hier!?“, rief Jumon durch das Haus und rannte ins Wohnzimmer.
„Wenn du wüsstest“, lachte Miraa Liade, der sich gegen Myu wehrte und sie nun am Nacken hielt, „Aber was wundere ich mich da? Ich erzähle dir die Geschichte. Du bist doch sicherlich neugierig, wieso ich Miraa Liade bin, nicht wahr?“
„Ja und vor allem was du hier tust!“
„Jumon verschwinde lieber!“, warnte ihn Myu.
„Sei still…“, meinte Miraa Liade und hielt die Schnauze von Myu zu, „Du kennst doch sicherlich schon meine Geschichte, nicht? Tja, der Grund wieso ich verschwunden bin, ist das hier…“
„Was?“, wunderte sich Jumon, der sein Gegenüber grimmig anstarrte.
„Unsterblichkeit“, lachte Miraa Liade, „Der Grund, wieso ich die Bündnisse mit den Geistern geschlossen hatte, war schlicht und einfach mich dadurch unsterblich zu machen.“
„Aber wie soll das denn funktionieren?“
„Ist nicht schwer, wenn man es erst einmal gelernt hat…“
Irgendwie schaffte es Myu, ihre Schnauze zu befreien und biss Miraa Liade in den Finger, sodass er sie sofort los ließ. Blitzschnell sprintete sie zu Jumon und sprang auf einen Tisch, der neben ihm stand.
„Jumon, vertraue diesem Kerl bloß nicht…“, warnte sie ihn wieder.
„Aber wieso denn?“, hakte er nach.
„Miraa Liade ist der Kerl, der nicht nur sich, sondern auch mich unsterblich machte, aber in dem er meine Seele in diese Katze einsperrte!“, erklärte sie.
„Wirfst du mir das immer noch vor, Gaara? Nach all den langen Jahren der Freundschaft…“, seufzte Miraa Liade und ging einige Schritte auf Jumon zu. Myu fauchte. Oder, falls sie noch Myu war.
„Wie, du bist gar nicht Myu? Deswegen habe ich diese seltsame Aura von dir gespürt“, stellte Jumon fest.
„Gut erkannt. Erzähl nicht den anderen, davon, ja?“, bat die Seele in Myu.
„Weil diese Knirpse sonst dahinterkommen?“, lachte Miraa, „Hör nicht auf ihn, Jumon. Wenn du dich mir anschließt, schenke ich dir das ewige Leben!“
„Fall nicht auf seine Tricks herein, Jumon… Er will nur deinen Körper, damit er noch länger leben kann…“, erklärte die Myu und fauchte den Mann noch einmal auf bedrohliche Weise an.
„Komm, Jumon…“, lud Miraa ihn ein.
Vorsichtig näherte sich die Hand des Mannes Jumons Körper, Myu konnte es nicht aushalten und sprang noch einmal auf ihn zu. Diesmal jedoch fing der Körper der Katze Feuer, blaues Feuer um genau zu sein.
Mit einer sagenhaften Energie schleuderte die Katze den Mann an die nächste Wand.
„Jumon!“, rief Myu.
„Oh, ja!“, meinte er und konzentrierte sich. Hier mussten doch sicherlich auch noch andere Geister sein, dessen Kräfte er sich borgen konnte.
Doch das einzige was er in den nächsten Augenblicken sah, schockierte ihn noch mehr. Überall wurden nun die Seelen sichtbar, die Seelen der Menschen, deren Energie sicherlich von Miraa Liade gestohlen wurde, oder so etwas in der Art. In den Ecken saßen kleine, dürre Jungen, die Angst hatten. Aus der Küche kam eine Gruppe von jungen, abgemagerten Frauen und vor dem Regal stand ein Mann, der schon fast einem Skelett glich.
„Was hast du mit all diesen Leuten gemacht!?“, fragte Jumon, der nun wutentbrannt war.
Miraa lachte, als er aufstand und sich den Dreck von der Kleidung klopfte.
„Sie alle wurden Teil meiner Unsterblichkeit!“, verkündete der verrückte Mann lauthals.
„Verlorene Geister leben nicht! Sie wandeln auf der Erde… und…“, Jumon verschlag es die Sprache. Es wurden immer mehr Geister sichtbar, die durch das Haus wandelten, betend, suchend, sich selbst fragend.
„Komm doch, Jumon“, grinste Miraa und streckte seine Hand aus. In diesem Moment schien es, als würde ein Schwert aus seiner Hand herausgleiten.
„Nicht auch noch das“, seufzte Myu, deren Feuer nun wieder erloschen war.
Miraa Liades Blick veränderte sich von einem auf den anderen Moment. Was wohl eher daran lag, dass seine Haut alterte und seine Augenhöhlen immer dunkler wurden.
„Gib mir deine Energie… deine köstliche Energie…“, murmelte der Mann vor sich hin und leckte nun die Klinge seines Schwertes ab.
„Jumon!“, rief Myu, „Borge sie dir…“
„Geht klar“, meinte er, als wäre seine Angst sofort verflogen. Nun konzentrierte er sich und sammelte all die Energien der Geister, die in diesem Haus waren, einschließlich Myus.
Er sammelte die Energie vor seinem Körper und plötzlich baute sich ein großes Wesen auf. Es war ein Knochenmann gewesen, der Miraa Liade sofort angriff. Marionettengleich steuerte Jumon dieses Wesen.
Miraa zögerte aber keinen Augenblick und konterte mit seinem Schwert die Hiebe des Knochenmannes. Jedoch merkte man, wer schneller die Oberhand über diesen Kampf gewann. Die verlorenen Geistern bemerkten nun, wie Jumon kämpfte und liefen oder krabbelten zu Miraa, um ihn zu packen. Merklich wurden seine Bewegungen immer langsamer, bis er fast vollkommen von den Geistern festgehalten wurde.
„Was… was soll das!?“, brüllte er, während er immer schneller alterte.
„Jumon, jetzt!“, meinte Myu und zeigte auf den Knochenmann.
Genau, jetzt war es ein guter Zeitpunkt… Jumon ließ den Knochenmann wieder auflösen und konzentrierte die letzte Energie in einer Kugel vor sich. Dann schleuderte er die Kugel direkt auf die Brust seines Gegners. Kurz bevor die Kugel traf, ließen die Geister los und brachten sich so schnell wie möglich in Sicherheit.
Als die Kugel auf Miraa Liade brach, erhellte plötzlich ein Blitz den dunklen Raum.
„Toll gemacht…“, waren Miraa Liades letzte Worte, bevor sein Körper langsam zu Staub zerfiel. Verschiedenfarbige Lichter strömten nun aus seinem Körper heraus und in die Körper der verlorenen Geister hinein. Das gab ihnen die letzte Kraft, endlich sterben zu können.
Nur mit Myu geschah nichts.
„Jumon, du darfst keinem davon erzählen, bis ich das nicht selbst geklärt habe, ja?“, befahl im die Katze mit der Männerstimme, „Ich hoffe ich kann auf dich vertrauen, denn gleich löst sich die… au… f…“
Mehr konnte er nicht hören. Plötzlich wurde es wieder ganz schwarz vor seinen Augen und er befand sich in einer eigenartigen Leere. Jumon holte tief Luft und atmete wieder auf.
Im nächsten Augenblick wachte er in dem Geisterhaus, auf einem Sessel sitzend, wieder auf. Er hustete, weil durch das Aufschrecken so viel Staub aufgewirbelt wurde.
„Jumon? Kommst du?“, meinte Denji, der seinen Kopf ins Wohnzimmer streckte, „Wir warten auf dich!“
Jumon musste sich erst einmal zurechtfinden. Er beugte sich nach vorne und bemerkte, dass Myu auf seinem Schoß saß.
„Ja… gleich“, murmelte er abwesend und versuchte das Geschehene zu verarbeiten. Myu streckte sich, sprang von seinen Beinen und wollte gehen. An der Tür blieb sie stehen und blickte noch einmal zurück zu Jumon. Ein Miauen sollte ihn wohl bitten, endlich aufzustehen und zu den Anderen zu gehen.
„Jetzt habe ich ihn also kennengelernt… Mein Vorbild…“, seufzte Jumon und stand auf. Dann kramte er etwas aus seiner Tasche. Es war ein Block und ein Stift.
„Ich denke, ich sollte darüber schreiben…“
Er machte sich schnell einige Notizen und ging dann zu den Anderen, die sich ungeduldig die Beine in den Bauch standen.
„Wo warst du so lange?“, wunderte sich Ginta, der Myu auf den Arm nahm.
„Ach… ich hatte nur eine Idee für ein Buch“, meinte Jumon kühl und steckte den Block wieder weg, „Können wir nun gehen? Ich habe richtig Hunger bekommen.“
„Ich auch!“, übertönte Tsuru ihr Magengrummeln, „Ich will Steak!“
„Das können wir uns nicht leisten“, seufzte Sayoko.
„Wir finden bestimmt irgendetwas leckeres“, meinte Jumon und verließ als Erster das Geisterhaus.
Kapitel 63 – …dann gingen die Pläne doch baden
Es wurde Nachmittag, als die Wolken sich langsam verzogen und die Sonne die Erde wieder richtig aufheizen konnte. Dies geschah so plötzlich, dass den Freunden auf einmal sehr warm wurde.
„Was ist das für ein Wetter?“, seufzte Jumon und öffnete seine Jacke, „Das kühle Wetter fand ich viel angenehmer.“
„So ist das halt“, antwortete Denji, der nicht aufhören konnte zu grinsen, „Ist doch schön! Sei nicht so ein Griesgram und genieße das Wetter. Außerdem ist es Sommer, was erwartest du?“
„Ist ja schon gut“, murmelte Jumon. Dann steckte er seine Nase wieder in ein Buch.
„Es ist wirklich sehr schön“, bestätigte Shiana, während sie sich eine Strähne hinters Ohr strich.
„Spiel mit mir!“, quietschte Tsuru, die neben ihr lief.
„Später vielleicht, ja?“, antwortete sie ihr kühl. Anscheinend war Shiana heute wohl nicht so gut zu sprechen.
„Okay…“, schmollte Tsuru und wandte sich wieder zu Kûosa.
„Leute…“, fing Ginta auf einmal an, „Ich bin dafür, dass wir eine Pause einlegen.“
„Dafür bin ich auch“, stimmte Sayoko ihm zu, „Wir sind ja schon fast einen Tag lang unterwegs, wir sollten uns auch etwas Ruhe gönnen. Außerdem wissen wir gerade sowieso nicht genau, wo hin wir laufen.“
„Wenn ihr meint, können wir schon eine Pause machen“, wandte Denji ein, blieb stehen und verschränkte seine Arme vor der Brust, „Aber, wisst ihr… Ich kenne mich hier noch recht gut aus und wenn wir nur etwas weiter laufen, kommen wir an einen wunderschönen See!“
„Hört sich gut an“, meldete sich auch Matra zu Wort, „Wenn der doch ach so schön ist.“
„Ein See? Na gut…“, nuschelte Jumon. Hauptsache er konnte sich unter einen schattigen Baum legen und lesen. Das war ihm das wichtigste.
„Gut, dann ist das ja geklärt!“, jubelte Denji, „Dann geht es auf zum See!“
So erreichten die Freunde nach nicht allzu langer Zeit einen riesigen See, dessen Schönheit in einer prachtvollen Umgebung noch mehr zur Geltung kam.
Der See war so groß, dass die Freunde nicht einmal jemand anderen begegneten. An einer hübschen Lichtung schlugen sie ihr Lager auf. Blumen wuchsen auf der Wiese. Am Ufer zum See wuchs Schilf. Ab und zu sprang ein Eichhörnchen von Baum zu Baum, oder eine Ente flog vorbei und landete auf dem Wasser.
„Ist es nicht klasse!?“, strahlte Denji und tänzelte umher.
„Sehr schön“, murmelte Shiana und sah sich um.
Der See war so strahlend und klar, das Blau des Wassers war unglaublich kräftig. Selbst Jumon musste eingestehen, dass es hier spitze war.
„Wenn Oto das nur sehen könnte“, nuschelte Ginta, während er Sayoko das Zelt aufbauen half.
„Was sagtest du?“, hakte sie nach, weil sie es nicht richtig verstanden hatte.
„Ach… nichts“, meinte Ginta und baute stumm das Zelt auf.
Als die anderen ihre Nachtlager ebenfalls aufgebaut hatten, konnte man nun entspannen., wobei das einigen nicht gewährt wurde.
„Kommt mal alle her“, meinte Matra, die einige kurze Ästchen in den Händen hielt, „Was haltet ihr davon, wenn wir heute auslosen, wer kochen muss?“
„Auslosen? Wieso sollten wir das auslosen?“, wunderte sich Jumon der sein Buch beiseite lag.
„Ich finde, dann hat jeder eine faire Chance. Die die nicht Kochen, dürfen sich dann natürlich ausruhen und sonst etwas machen“, erklärte Matra. Zum Glück merkte keiner, was für Hintergedanken sie hatte.
„In meinen Händen halte ich verschieden lange Stöckchen. Drei von ihnen sind länger als die anderen und die von uns, die die langen Stöckchen ziehen, werden Kochen müssen!“, grinste sie während sie die Stöckchen den anderen so hinhielt, dass keiner erkennen konnte, welcher davon ein langes gewesen wäre.
Ihre rechte Hand hielt sie Ginta, Jumon und Denji hin. Die andere Hand streckte sie zu Sayoko, Shiana und Tsuru. Dann zogen alle, sodass Matra in ihrer Linken noch ein Stöckchen für sich selbst hatte.
Alle betrachteten ihre Stöckchen und verglichen sie mit den anderen.
„Mist!“, sagten Ginta, Denji und Jumon fast gleichzeitig.
„Habt ihr wohl Pech gehabt“, lachte Sayoko.
„Du hast uns doch ausgetrickst! Gib das zu, Matra!“, beschwerte sich Jumon, der sein Stöckchen aus Wut auf den Boden warf.
„Und wenn? Ihr hättet das auch durchschauen können“, grinste sie, „Jetzt sieh es doch nicht so eng, Jumon. Dann können wir Mädchen uns auch einmal einen schönen Abend machen.“
„Ja, macht das ruhig“, warf Ginta in die Diskussion, bevor sie noch mehr ausartete, „Dann kochen wir Jungs eben! Ist ja nicht so wild.“
„Also dann“, grinste Matra überlegen und verschwand, „ruft uns, wenn das Essen fertig ist!“
„Ich werde mich wohl etwas an den See setzen“, meinte Sayoko und stand auf.
„Warte, ich komme mit dir“, sagte Shiana und folgte Sayoko.
„Wenn du willst, kannst du spielen gehen“, lächelte Ginta Tsuru an.
„Danke!“, grinste die kleine Tsuru bis über beide Ohren, packte Kûosa an der Hand und erkundete die Gegend.
„Dann sind wir wohl unter uns Jungs“, erklärte Denji, dessen Augen auf einmal glitzerten, „Ich hab schon lang gewartet, euch mal näher kennenzulernen!“
Ginta grinste und Jumon seufzte genervt.
„Dann lasst uns mal anfangen“, fing Ginta an, „Denji, magst du etwas Feuerholz sammeln?“
„Aber ich wäre gerne bei euch…“, murmelte er, „Na gut! Wir sehen uns ja gleich wieder.“
Dann machte sich Denji auf die Suche nach Feuerholz.
„Ist alles in Ordnung mit dir, Ginta?“, erkundigte sich Jumon, der schon einmal anfing die Lebensmittel aus den Taschen zu räumen.
„Wie meinst du das? Warum sollte nichts in Ordnung sein?“, wunderte sich Ginta, der sich um die Töpfe kümmerte.
„Du bist in letzter Zeit so launisch. Ich mache mir Sorgen…“, meinte Jumon und stand auf, „Kommst du kurz mit zum Wasser? Diese Früchte brauchen noch eine Wäsche.“
Ginta nickte und stand auf. Da nahm er gleich die Töpfe mit um sie mit Wasser füllen zu können.
„Launisch? Ach was…“, stritt Ginta ab, während sie hinunter zum Wasser gingen.
Beide knieten sich in den Sand und Ginta füllte die Töpfe mit Wasser, während Jumon die Früchte und das Gemüse wusch.
„Streite das nicht ab, Ginta. Wir merken alle, dass du gerade nicht in bester Verfassung bist. Man merkt dir voll an, wann du nicht gut drauf bist“, erklärte Jumon.
„Das ist doch ganz normal“, murmelte Ginta und drehte seinen Kopf zur Seite. Das Licht glitzerte auf der Wasseroberfläche. Dann sah er das Ufer entlang und sah in der Ferne auf einem großen Stein Sayoko und Shiana sitzen. Von Gintas Position konnte man Shianas Spiegelung im Wasser kaum wahrnehmen. Vielleicht lag es an ihrem wunderschönem blauen Haar, das sich mit dem Wasser zu verbinden schien. Es sah so aus, als würden sich die Beiden unterhalten.
„Es ist immer noch wegen ihr, stimmt es?“, entdeckte Jumon, als er bemerkte, wohin Ginta blickte. Gintas Schweigen genügte ihm als Antwort.
Zur gleichen Zeit unterhielten sich Shiana und Sayoko über ein ganz ähnliches Thema.
„Ist mit dir alles in Ordnung, Shiana?“, hakte Sayoko nach, die ihre Füße ins Wasser steckte.
Shiana atmete schwer aus.
„Ich weiß auch nicht…“, erklärte sie mit ihrer zarten Stimme.
„Liegt dir irgendwas auf dem Herzen? Mir kannst du es doch erzählen“, lächelte Sayoko sie an.
‚Ich hoffe, es liegt nicht an jemandem in der Gruppe‘, seufzte Sayoko innerlich, ‚Das würde nur zu Problemen führen.‘
Shiana seufzte wieder.
„Ist es wegen Denji? Oder Matra? Es scheint mir, als könntest du ihnen noch nicht so gut vertrauen…“, erkundigte sich Sayoko. Irgendeinen Grund musste es doch geben, dachte sie sich.
„Nein“, antwortete Shiana, „Denji scheint sehr nett zu sein. Und auch wenn Matra… Matra ist auch nett.“
„Was ist es dann? Ist es das Reisen? Die Probleme mit den Shal? Kann ich dir irgendwie helfen?“
„Nein, ist schon gut!“, stieß es aus Shiana heraus. Dann stand sie auf, schnappte sich ihre Tasche und verschwand.
„Was für ein merkwürdiges Mädchen“, fasste Sayoko aus dieser Reaktion, „Nun, vielleicht braucht sie immer noch etwas mehr Privatsphäre als die anderen. Dennoch verlässt mich das Gefühl nicht, dass mit ihr irgendetwas komisch ist. In ihr geht was vor…“
Plötzlich hörte Sayoko ein lautes Schreien. Als sie aufsah, erkannte sie, dass Ginta etwas weiter entfernt ins Wasser gefallen war.
„Was sollte das!?“, brüllte Ginta, der aus dem Wasser stieg, „Du kannst mich doch einfach nicht so erschrecken!“
„Das tut mir Leid“, meinte Denji kleinlaut, „Wusste nicht, dass du so schreckhaft bist.“
„Hach… schon gut! Was soll es, die Kleidung trocknet sowieso bald wieder“, meinte Ginta, schnappte sich die Töpfe mit Wasser und ging zurück zum Lager.
Jumon schnappte sich grinsend das Obst und das Gemüse: „Scheint ja doch noch ein lustiger Abend zu werden.“
Als sie am Lager ankamen, hing Ginta seine Kleidung zum Trocknen auf. Er saß dann nur noch in Unterhosen neben Jumon und schnitt mit ihm die Zutaten zurecht, während Denji das Feuer machte.
„Shiana war in letzter Zeit auch etwas komisch drauf, nicht wahr? Das macht dir doch zu schaffen“, fing Jumon beiläufig an.
„Ich glaube sie hat es gemerkt…“, erklärte Ginta.
„Was gemerkt?“, wunderte sich Denji, „Dass du auf sie stehst?“
„Denji!“, unterbrach ihn Jumon, „Ich glaube nicht nur sie merkt es. Die anderen bekommen bestimmt auch bald Wind davon.“
„Aber warum muss sie dann so komisch zu mir sein?“, seufzte Ginta und warf die Zutaten in den großen Topf mit kochendem Wasser.
„Das weiß ich nicht“, meinte Jumon und tat es Ginta gleich, „Ich bin ja kein Mädchen, ich könnte das nicht einmal erahnen.“
„Selbst Sayoko und Matra könnten das nicht, denn jede Person reagiert auf so etwas ganz anders“, erläuterte Denji, der nun auf einmal so klug und erwachsen wirkte.
„Das Essen wird bald fertig sein“, wechselte Ginta das Thema, „Ich sollte die Anderen nun holen.“
Dann stand er auf und machte sich auf den Weg. Er spazierte noch ein wenig durch die Gegend, bevor er die Mädchen holte.
„Ich hab die Idee!“, rief Denji auf einmal, „Ich weiß ja nicht wirklich, was zwischen den Beiden abläuft, aber wie findest du es, wenn wir für Shiana und Ginta eine kleine Nachspeise zubereiten, die sie zusammen am See essen können? Dann können die Zwei auch über alles reden.“
„Das ist eine echt eigenartige Idee! Ich bin auf jeden Fall dagegen“, murmelte Jumon und rührte das Essen im Topf um.
„Aber vielleicht hilft es ja! Ein nettes Essen beruhigt die Nerven, dann kann man auch gut reden.“
„Wenn du meinst… Kannst das ja ruhig alleine planen“, sagte Jumon in einem eher genervtem Ton.
„Geht klar!“, grinste Denji und kramte in seiner Tasche.
Nach einiger Zeit kam auch Ginta mit den Mädchen zurück.
Die Sonne kam dem Horizont immer näher und die Freunde genossen das Essen. Sie plauderten ein wenig und erzählten sich Geschichten.
Nach einiger Zeit, die Sonne wich mehr und mehr dem Sternenhimmel, kam Denji dann mit einer Idee.
„Ginta, Shiana… ich hab für euch einen speziellen Nachtisch!“, grinste er und stand auf.
„Einen Nachtisch?“, wiederholte Ginta.
„Ja, einen Nachtisch. Wenn ihr kurz mitkommt?“
Shiana und Ginta standen auf und folgten Denji, der sie an einen gemütlichen, romantischen Ort am See brachte. Er hatte einige Kerzen vorbereitet, sodass man auch etwas sehen konnte. Dann stellte er zwei Schüsseln mit etwas Dunkeln darin auf einen Stein am Wasser, auf die sich die Zwei setzten.
„Für was ist dieser Nachtisch?“, fragte Ginta nach.
„Ach, weißt du Ginta… Irgendwie muss ich mich ja bei dir bedanken, dass du mich mitgenommen hast, auf deine Reise! Und dir Shiana, ich hoffe einfach, dass der Nachtisch schmeckt“, grinste Denji wieder und verschwand dann plötzlich.
„Denji ist schon komisch“, meinte Ginta und rührte etwas in diesem Brei herum, der anscheinend der Nachtisch sein sollte.
„Mhh…“, gab Shiana nur von sich und nahm einen Löffel.
Ginta traute sich erst nicht, probierte dann doch von dem ominösen Nachtisch.
„Wäh! Wie eklig ist denn das!?“, rief Ginta plötzlich und stellte die Schüssel beiseite, „Echt widerlich, was da wohl drin ist?“
„Schmeckt wirklich schlecht“, meinte auch Shiana und verzog etwas ihr Gesicht.
„Also, wenn das ein Scherz gewesen sein sollte, dann bekommt Denji von mir noch eine Abreibung.“
„Aber er hat doch sein Bestes probiert, vielleicht kann er nicht so gut kochen?“, versuchte es sich Shiana zu erklären.
„Da hast du recht…“, stimmte Ginta zu und starrte auf den See, „Schön, nicht wahr?“
„Er ist so ruhig…“, meinte Shiana und genoss den Augenblick noch für eine Weile. Dann stand sie auf und ging, ohne Ginta noch ein Wort zu sagen.
„Shiana…“, murmelte er und sah ihr noch hinterher, „Dann bleibe ich noch ein Weilchen hier sitzen.“
Innerlich seufzte Ginta. Irgendwie schlug sein Herz plötzlich schneller. Aber nicht so vor Aufregung oder vor Freude. Es war ein anderes, beunruhigendes Schlagen. Dann fuhr ein komisches Gefühl durch ihn und er bekam Gänsehaut.
„Ich hätte mich doch wieder anziehen sollen“, meinte Ginta zu sich selbst.
Shiana kam wieder zur Gruppe. Erwartungsvoll blickte Denji sie an. Doch sie würdigte ihm keinen Blick, nahm sich aus ihrer Tasche ein kleines Buch und einen Stift und ging wieder.
„Was… war das eben?“, wunderte sich Jumon dem es kalt dem Rücken hinunterlief.
„Ist sie böse?“, fragte Tsuru, doch keiner antwortete ihr.
‚Anscheinend schreibt sie Tagebuch. Das mir das noch nicht aufgefallen ist…‘, dachte sich Sayoko.
„Dann ist dein Plan wohl in die Hose gegangen“, erklärte Jumon offiziell.
„Wohl wahr“, seufzte Denji und starrte ins Feuer.
„Welcher Plan?“, hakte Matra nach.
„Ach…“, fing Jumon an und erklärte den Mädchen Denjis Plan.
Ginta saß immer noch am Ufer. Auf einmal sah er etwas eigenartiges in der Mitte des Sees. Die Wasseroberfläche bewegte sich auffällig und es schien, als würde tief im Wasser etwas leuchten.
„Was ist das?“, fragte sich Ginta selbst und versuchte genauer hinzusehen. Doch er erkannte nichts. Deswegen entschloss er kurzerhand ins Wasser zu springen und das Ereignis aus nächster Nähe zu betrachten.
Als er dem komischen Brodeln näher kam, tauchte er hinab in das klare Wasser. Endlich konnte er erkennen, was da vor sich ging. In dem See lag ein Schiffswrack, aus dessen Inneren das Leuchten zu kommen schien. Doch was war es?
Ginta schwamm noch einmal zurück zur Oberfläche, holte tief Luft und tauchte wieder ab in die Tiefe. Er versuchte dem Wrack näherzukommen und herauszufinden, woher das Leuchten kam.
Doch bevor er genau erkennen konnte, was da war, nahm ihn eine starke Strömung plötzlich mit und schleuderte ihn durchs Wasser. Durch den Schock wollte er Luft holen und schluckte Wasser. Krampfhaft versuchte er zurück an die Oberfläche zu schwimmen, als eine andere Strömung ihn zurück an den Grund drückte. Die Strömung war so stark, dass er gegen das Wrack geschleudert wurde und sich die Brust am aufgerissenen Metall verletzte. Langsam floss das Blut aus seiner Wunde und färbte das Wasser um ihn herum rot.
Er wollte nach Hilfe schreien, aber konnte nicht, da er sonst noch mehr Wasser schlucken würde. Verzweifelt strampelte er um sein Leben. Sein Blick wurde immer trüber.
Doch was war das? Plötzlich vernahm er vor dem Leuchten ein Schatten. Er versuchte genauer hinzusehen, doch erkannte nur eine Person mit einem Zopf. Einem Zopf wie Ryoma ihn trug? Es sah so aus, als käme ihm Ryoma zur Hilfe, es beruhigte ihn. Dann fiel er in Ohnmacht.
Als er wieder zu sich kam, saßen neben ihm Jumon und Denji.
„Er… er ist wieder wach!“, jubelte Denji.
Jumon lächelte Ginta an: „Na, wieder wach?“
„Was… was ist passiert“, murmelte Ginta und hielt sich den Schädel, „Au…“
Als er seinen Arm wieder senkte, bemerkte er, wie seine Brust schmerzte.
„Auuuuuu….“, gab er von sich und tastete seine Brust ab, „Ein Verband?“
„Wir wissen auch nicht, was passiert ist, aber du lagst am Ufer, irgendjemand hatte deine Wunde schon versorgt. Aber dennoch ein Glück, dass Shiana dich entdeckt hat!“, erklärte Jumon.
„Nur gab es da eine Sache…“, grinste Denji, der sich das Lachen wohl nicht richtig zurückhalten konnte. Er fing das Kichern an, als er mit der Hand auf Gintas Unterleib deutete. Ginta verstand nicht so recht. Also beugte er seinen Kopf nach vorne und bemerkte, dass ein Handtuch auf seinem Schoß lag. Denji lachte nun lauthals, was Ginta noch mehr Sorgen bereitete. Vorsichtig hob er das Handtuch und entdeckte, dass er seine Bekleidung verloren hat.
„Das… das ist doch nicht!?“, stammelte Ginta und starrte Jumon mit weit aufgerissenen Augen an.
„Anscheinend doch… Sie ist ganz schnell zu uns gekommen und meinte nur, dass Denji und ich uns um dich kümmern sollten. Keine Sorge, es war dunkel, sie hat wahrscheinlich nichts gesehen…“
„Oh… das… GIBT’S NICHT!“, brüllte Ginta so laut, dass die Vögel aus den Baumkronen davonflogen. Schrecklich, bei dem Gedanken daran, dass Shiana ihn nackt gesehen hat, wäre er am liebsten noch einmal in Ohnmacht gefallen.
„Aber eine nette Anekdote für deine späteren Enkel“, kugelte sich Denji vor Lachen, „Warum hast du uns nicht gesagt, dass du Nacktbaden wolltest!?“
„Ach Denji…“, seufzte Jumon und massierte sich die Schläfen.
„Das ist doch wohl nicht wahr!“, heulte Ginta und schlug mit seinen Fäusten in den Boden.
Nachdem sich wieder alle eingekriegt hatten, Ginta sich anzog und alle wieder zu den Mädchen gingen, wurde es auch langsam Zeit zum Schlafen.
Was war noch einmal passiert? Ginta wollte sich erinnern, doch das einzige, das ihm im Gedächtnis blieb, war die merkwürdige Silhouette, die wie Ryoma aussah… Hat er Ginta gerettet?